Home » Blog » Fussball » FC Basel » Der Wechsel

Der Wechsel

…und dann wusste ich: Jetzt ist es an der Zeit. Zeit zum Loslassen. Zeit für eine neue Ära.

Vater-Sohn-Momente. Zum Beispiel bei der Meisterfeier 2008 in der Staine.
Vater-Sohn-Momente. Zum Beispiel bei der Meisterfeier 2008 in der Staine.

Seit elf Jahren begleitete ich meinen Sohn in die Muttenzer Kurve. Nun brauchte er meine Begleitung nicht mehr. Nach 35 Jahren MK wählte ich eine neue Wahlheimat im Joggeli.

 

Im Autoplay läuft nochmals der Film dieser elf Jahre an. Das erste FCB-MK-Spiel meines Sohnes mit 4 Jahren, sein erster „Barfi“ mit sechs, sein Erstkommunions-Geschenk das erste MK-Abo und seither das „Götti-Gschänk“. Nie hatte ich Angst mit ihm, auch nicht an jemem 13. Mai, dem Basler „Ground Zero“. Wir waren traurig und enttäuscht, verliessen das Stadion hinter der MK und gingen nach Hause. So einfach ging das, wenn man wollte. Fürs Protokoll: Ich hatte bei einem FCB-Match in der MK nie Angst, wenn ich mit meinen Kindern dort war. Das Joggeli war immer eins der ungefährlicheren Familien-Freizeitbeschäftigungen.

Die beiden Ausnahmen waren die FCZ-Pyrowerfer 2008, und als mein Sohn beim Spiel Luzern-Brasilien von Luzernern wegen seiens FCB-Schals angepöbelt wurde. Aber das war ja nicht in Zusammenhang mit der MK.

Fahnenmast mit Vorspiel

Aufgang in ein Kraftwerk der Seele.
Aufgang in ein Kraftwerk der Seele.

Der Film dreht weiter im: In den 80-ern war Treffpunkt „bei den Fahnenstangen“, meine überdimensionierte Fahne dabei, 90 Minuten vor dem Spiel, schliesslich wollte ich auch das Vorspiel nicht verpassen (Weiss noch jemand, was das ist?). Verbrennte Fahnen der gegnerischen Fans in der Pause kommen mir auch in den Sinn, von weither betrachtete Pausen-Schlägereien beim „Gellert-Tor“ inmitten des Publikums, FCB-Chênois vor 4500 Zuschauern (3:1, ich hatte meinen ersten Schulschatz mitgenommen). Fussball mit dem FC Basel war anders schön als heute, und überhaupt, ich sollte nicht nostalgisch werden.

Nun, ich befand: mein Sohn ist alt genug, seine nächsten Kurvenschritte ohne seinen Vater zu gehen. Er hat das Alter von Muris Rückennummer und ist ein toller Kerl.

Sicht vs. Stimmung

Nicht alle in der MK mochten solche Fotos...
Nicht alle in der MK mochten solche Fotos…

Und ich? Das Sicherheits-Netz wurde mir immer mehr zur Sichtbehinderung, im Veteranen-Alter keine Sünde. Die Stimmung genoss ich bis zum Schluss, aber musste von jungen Fans nicht mehr angemacht werden, wenn ich mit dem Natel die Choreo von „unten“ fotographierte. Und ich wollte mehr vom Spiel sehen. Wehende Fahnen vor den Augen in genau dem Moment, wenn ER einen Steilpass spielt, hatten begonnen, mich zu stressen. Alterserscheinungen eben.
Also gönnte ich mir ein Abo unten am Bahndamm. Wie wird das sein?

Gleich anders und anders anders

Neue Sicht aufs Feld.
Neue Sicht aufs Feld.

Nun: es ist anders. Na gut, das überrascht nicht. Aber es ist anders anders als erwartet.

Zuerst mal das erwartete „Anders“. auf Höhe Mittelline am „Regenrand“ zu sitzen, da geniesse ich den Fussball von ganz nahe. Ich höre die Spieler rufen und das Geräusch von Safaris Pässen. Ich sehe Xhaqas verdrehte Augen, wenn der Linienrichter falsch winkt und höre, wenn Suchy auf dem Rasen entlanggrätscht, ich sehe Gashis stetig entschlossenen Adler-Blick und Degens vor Tatendrang flackernde Augenlider.

Ich kann auch mal erst 5 Minuten vor Spielbeginn kommen, und ich kann in aller Ruhe die wunderschönen Choreos der MK fotographieren und meinem Sohn schicken. Ich merke, wie ich bei einem neuen MK-Gesang den Text nicht verstehe, und ich versuche manchmal, meinen Sohn im Pulk zu entdecken. Gleich beim ersten Spiel, an das er ohne mich ging, hat er sich einen Kurven-Pulli gekauft. Wunderbar. So muss es sein.

So weit, so erwartet anders.

Anstehen und Anstand – Ist die Wurst wurst?

Seit eh und je auf FCB-Empfang eingestellt
Seit eh und je auf FCB-Empfang eingestellt

Und es gibt auch „anders anders“, zum Beispiel das Catering. Am Anfang dachte ich, das ist irgendwie psychosomatisch, aber auch nach der fünften Gegenprobe bleibt die Frage offen: Wie kann es sein, dass die Bratwürste in der MK schmackhafter und besser zubereitet sind und die Brotstücke grösser? Auch nach vielen Spielen ist mir das immer noch ein Rätsel. Ist es nicht die gleiche Metzgerei, nicht das gleiche Catering? Mysteriös.

Ebenfalls mysteriös, überraschend und störend: Anstehen für Speis und Trank in der MK ist eine entspannte, lockere, anständige Sache, bei der jeder zuvorkommend in der Schlange wartet, bis er dran kommt. Diesen Basis-Anstand müssen die C-Zuschauer offenbar erst noch (oder wieder) lernen: Vordrängen, Ellenbogen, ein wilder Haufen vor jedem Stand.Schräg.

Die besten Trainer der Welt sind Rohrspatzen

Neue Nachbarn.
Neue Nachbarn.

Zugegeben, nur halb unerwartet: Im C sitzt eine Heerschar von Weltklasse-Trainern mit entsprechendem Selbstbewusstsein. Würde der FC Basel die Aufstellung und die Auswechslungen via Smartphone-App vom Sektor C bestimmen lassen – der FC Basel stände garantiert im Finale der Champions League. Mindestens.

Überraschend un-anders als in der MK ist jedoch der Wortschatz. Auch hier wird nach Herzenslust geflucht, die Ausdrücke umfassen den gesamten Körper und am liebsten südlich des Bauchnabels…

Irritierend anders anders: Werden in der MK die Gegner beschimpft, schimpft die Gegengerade mit Vorliebe über die eigenen Spieler.

Weitergeben des Feuers

Neue Sicht auf die MK.
Neue Sicht auf die MK.

Die „Subkultur Gegengerade“ barg also viele kleine Überraschungen für mich. Und ich erlebte erstaunt und erfreut, dass viele Vorurteile über „die MK“ oder „die Gegengerade“ eben genau das sind: VOR-Urteile.

Hier wie dort ist jedoch dasselbe gefragt: Humor, Gelassenheit, manchmal ein „Göschenen-Airolo“-Not-Schalter, Selbstironie. Es ist wie mit dem „einen Leib und den vielen Körperteilen“: An unterschiedlichen Orten funktioniert es anders, und durch alle Adern fliesst das gleiche FCB-Blut. Und wenn es klappt, dann wird der ganze Körper von Gänsehaut ergriffen, wenn das Stadion bebt.

 

Ich geniesse meinen neuen Stadionplatz, lasse mich auf neue Art vom Geschehen auf dem Rasen packen, und ich schaue mit Freude und Stolz auf die MK. Und ich weiss, irgendwo steht da auch mein Sohn. Denn Tradition, das ist nicht das Hüten der Asche. Tradition ist das Weitergeben des Feuers.

 


Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.