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Ein kleines Mädchen in New York und die Kraft der Wahrheit

Letzten Freitag hatte in Basel die Gandhi-Oper «Satyagraha» von Philip Glass Premiere. Das heisst «Kraft der Wahrheit». Hm. Was ist Wahrheit? Das fragte Pilatus Jesus schon vor zweitausend Jahren. Heute dominiert ein anderer Machthaber die Diskussion um die Bedeutung von überprüfbarer Wahrheit. That’s true.

Bei uns versprechen gewisse Medien schon mal positive Berichterstattung gegen grosse Anzeigen, dagegen wirbt ein neues Medienprojekt mit dem Slogan «Journalismus ohne Bullshit». Ob eine Wahrheit die Menschen erreicht, ist oft eine Frage der Kommunikation, ganz nach der Binsenweisheit: «Die Wahrheit entsteht bei der Empfängerin.»

Nun, in New York steht seit dem 8. März eine kleine Statue mit dem Titel «Fearless Girl». Dieses furchtlose Mädchen hat den Rücken durchgestreckt wie Peter Pan, die Hände in die Hüften gestemmt, das Kinn emporgereckt, mit wachen Augen voller Zuversicht. Es schaut quer über den Platz direkt in die Augen einer anderen Statue, nämlich eines wilden Stiers, der seit 1987 dort steht.

Und damit beginnt das Problem. Denn der Stier-Künstler hat die Mädchen-Künstlerin verklagt: Die Statue verändere seine künstlerische Botschaft und verletze damit seine Rechte als Künstler. Der Stier stehe für Kraft, Unbeugsamkeit und Liebe des amerikanischen Volkes. «Fearless Girl» verkehre diese Eigenschaften ins Gegenteil. Und es kommt noch komplizierter: Der Stierkünstler hat seine Statue nach der Börsenkrise 1987 illegal dorthin gestellt, die Mädchenstatue hingegen ist der PR-Gag einer Vermögensverwaltungsfirma, um ihre jährlich veröffentliche Frauenquote in Verwaltungsräten zu bewerben. Weil diese Firma selber ein kapitalistisches Unternehmen sei, wurde die Aktion wiederum von einigen Frauen als Verrat am Feminismus kritisiert.

Blicken Sie nicht mehr durch? Nicht so schlimm. Schliessen Sie sich einfach den Menschen in New York an. Die scheren sich nämlich einen Deut um diese Diskussionen, weil sie das furchtlose Mädchen längst in ihre Herzen geschlossen haben. Sie lassen sich damit knipsen, alleine und in Gruppen, sie umarmen das Mädchen, ziehen ihr Schals oder Kappen an, wenn es geschneit hat, natürlich auch schon einen lila «Pussy Hat». Auf den Fotos bei der Bildersuche sind durchs Band fröhliche Menschen zu sehen, «Fearless Girl» inspiriert Menschen, bringt sie zum Lachen und macht sie offensichtlich glücklich. Ursprünglich sollte die Statue nur eine Woche dort stehen. Dank zahlloser Bittbriefe an die Stadtregierung wird das furchtlose Mädchen die New Yorker nun mindestens bis März 2018 erfreuen.

Was sagt uns das über die Wahrheit? Wenn ich mit meiner Botschaft die Menschen erreichen will, dann muss ich ihre Sprache sprechen. In diesem Fall haben die Menschen verstanden: Hier steht ein junges Mädchen mutig und zuversichtlich gegen eine bedrohliche Übermacht auf.

Ob das nun ursprünglich so gewollt war oder nicht, ganz ehrlich: Ich finde das eine wunderbare Botschaft. Voller Kraft und Wahrheit.

Bauzeit am Highway To Heaven

In diesen Tagen zwischen Fasnacht und Ostern geht es wieder vorwärts mit dem „Highway To Heaven“. Viele Menschen verbessern oder erneuern den Belag, pflegen und verschönern den Wegrand, verdeutlichen die Signalisierung und so weiter. Ein paar Beispiele?

Am vergangenen Samstag zeugte der #womensmarch mit Symbolik, Anspruch und Selbstironie vom Generationenwechsel und neuer Kraft. Tags darauf nahm das Initiativkomitee der kirchlichen Gleichstellungsinitiative beider Basel den renommierten „Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche“ entgegen. Sie taten das mit Schnitzelbank und Helgen. Die Göttliche Ordnung ist heute gleichberechtigt und hat Humor.

Derweil auf einem anderen Streckenabschnitt: Letzte Woche zeigten die Verkehrsunfall-Zahlen 2016 einen erneuten Minusrekord. Seit 2006 sank die Anzahl gestorbener und schwer verletzter Menschen in Autos auf die Hälfte, diejenige auf Motorrädern um ein Drittel.

Die Zeit zwischen Fasnacht und Ostern heisst traditionell Fastenzeit, sie könnte aber auch Freiheitszeit heissen. Denn es geht in diesen Wochen darum, Gewohnheiten aufzubrechen und anderes zu probieren. Der Blick geht dabei immer darauf, “was wirklich zählt”.

Da treffen sich zum Beispiel in Therwil dreimal wöchentlich Jogger zu einem modernen “mens sana in corpore sano” bei der katholischen Kirche: Zum Start erhalten sie einen Gedanken auf die gemeinsame Laufstrecke mit, am Schluss tauscht man sich kurz darüber aus.

In Basel begannen die katholischen Kirchen die Fastenzeit mit dem traditionellen „Aeschestraich“ und stellten dabei wiederum eine Fasnachtslaterne ins Zentrum, um die Energie dieser Basler Herzstück-Kultur für die Fastenzeit fruchtbar zu machen.

Im Waldenburgertal trifft man sich wöchentlich frühmorgens zu einer Stunde gemeinsamen Schweigens. Ja, nichts als Schweigen. Um die Kraft der Stille aufzunehmen, und um auszuprobieren, wie sich die Tage dadurch verändern.

Überhaupt: Von Schönenbuch bis Ammel, vom Gellert bis zum Neubad nützen Menschen diese Tage, um Dinge anders zu machen. Sie nehmen sich eine Facebook-Auszeit, sie verkaufen Rosen zugunsten wohltätiger Projekte, sie leben frei von Schokolade, Alkohol oder Gamen.

Am Ende mündet die Fastenzeit ins Osterfest, einem Brennpunkt unserer abendländischen, jüdisch-christlichen Kultur. Ostern erzählt bei den Juden wie bei den Christen eine elementare Geschichte für ihr Selbstverständnis, beide sind ein epischer Showdown: Die gemeinsame Massenflucht der geknechteten Juden aus Ägypten ebenso wie die Ermordung/Auferstehung Christi.

Bei beiden Dramen verdichtet sich die Grundüberzeugung: Der Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit lohnt sich: Immer wieder und ganz am Ende, auch nach Mühsal und Leiden, ist das Leben stärker als der Tod.

Sei es auf Zürichs Strassen oder in der Kapelle, sei es am Computer oder auf der Jogging-Strecke, am Küchentisch oder vor dem Konsi: In der Fastenzeit geht es darum, sich frei zu machen für den Highway to Heaven. Viel Vergnügen mit Ihrer Freiheit!