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Trag Dir Sorge, Lorena

Remo, Diana und der Kopfhörer
Remo, Diana und der Kopfhörer

Montag 21.10.2013 – Wiedersehen nach 13 Jahren. Persönliche Begegnungen machen reich.

Erst war es so: Gemütliche Stadt-Bus-Tour mit Oberbaselbietern wie es im Buche steht, angenehme 18 Grad, Sonne, Lädele im „Stradivarius“, Flanieren durch die Fussgängerzone – Bukarest macht die Tage gemütlich.
Das znacht im Restaurant „la Mama“, und so sind die traditionelle rumänischen Gerichte auch. Am Schluss absacken in der Partyzone.

Damals…

Doch nichts berührt wie persönliche Begegnungen. Lorena, mittlerweile 26 Jahr alt. 1996 sind wir dem damals neunjährigen Mädchen in Verseni zum ersten mal begegnet. Damals, als noch 80 Kinder in einem Raum schliefen.

In unseren ersten fünf Jahren war sie immer dabei, sie war eine Leaderin, von ihr haben wir das Lied „Noi Ai Lumi Cel Mai Mici“ gelernt, mit dem wir heute noch jeden Abend gemeinsam mit den Kindern beschliessen.

Dann verliess sie das Heim, wie so Viele, und wir haben sie nie mehr gesehen. Vor einem Jahr hat sie mich auf Facebook gesucht und gefunden, sie wohnt in Bukarest, und heute, nach dreizehn Jahren, kam sie zum znacht dazu. Eine gut aussehende, selbstbewusste Frau, sportlich-schick gekleidet.

Suchen nach der Kindheit

Wir beide zeigen unsere Freude über das Wiedersehen, wir beide sind ein wenig unsicher.
Lorena arbeitet im Casino Bukarest, jeweils von Abends um Sieben bis Morgens um Zehn. Nichts von Klage. Es sei ein guter Job, den sie ihrem Bruder zu verdanken habe, sie habe einen sehr guten Lohn. Vor allem Chinesen und Spanier seien Casino-Kunden, sie stehe am Roulette-Tisch oder bei den Kartenspielen.

Sie beginnt von den Wochen zu erzählen, fragt nach den damaligen Gruppenmitgliedern, und ich helfe ihr, auf Facebook ihre zwei Lieblinge zu finden, Sarah und Seline.
Ich mache ein Foto von ihr mit mir und sie weicht dabei aus wie ein kleines Mädchen (drum erscheint es auch nicht hier).

“Ich bin davon gekommen”

Seline schreibt ihr via Facebook sofort zurück, auf Englisch, und ich übersetze es für Lorena auf rumänisch.

Sie sucht auf Youtube alte Verseni-Filme und weiss genau, in welchem Jahr bei welcher Szene sie zu sehen, auch wenn nur für einen Bruchteil von Sekunden.

Sie jammert über die gewalttätigen Erzieher von damals und fragt, was mit denen geschehen ist, die sie mochte. Und als ich ihr antworte, wie viel sich verändert hat, sagt sie schnell: „Ich will micht nicht beklagen. Ich bin davon gekommen.“ Sie wohnt heute alleine in einer Dreizimmerwohnung nahe am Nationalstadion, in der Nähe ihres Bruders und ihrer Mutter.

Momente für die Ewigkeit

Wenn sie mit dem Kellner redet, strahlt sie Selbstbewusstsein aus. Mit mir kommt es mir fast so vor, als wäre sie wieder die junge Lorena.
Sie fragt mich, ob ich in der Schweiz noch Fotos von ihr habe von den Wochen in Verseni und ob ich ihr die schicken könnte, und sagt dann: „Weisst Du, diese Wochen waren das einzige Schöne in meiner Kindheit, und mit ein paar Fotos könnte ich mich besser daran erinnern … und … Du bist ja für mich eigentlich mein Vater geworden.“

Und da gibt’s dann gar nichts mehr weiteres zu sagen.

Pass auf Dich auf, Lorena, trag zu Dir Sorge.

Lorena (oben, 2.v.l.) als neunjähriges Mädchen
Lorena (oben, 2.v.l.) als neunjähriges Mädchen

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