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Archiv der Kategorie: Hai Romania!

Reisemüde

Brasov also, die „schönste Stadt Rumäniens“. Mensch könnte auch sagen „Rumänien light“ oder „Rumänien für Einsteiger“. Für uns der perfekte Ort zum “Aussteigen” bzw “Umsteigen”.

"Wir kaufen Haar" - Rumänien bleibt überraschend.
“Wir kaufen Haar” – Rumänien bleibt überraschend.
"Abmagerungs-Salon und Körper-Remodellierung"
“Abmagerungs-Salon und Körper-Remodellierung”
Rechts "Happy Tour", links mit Spezialität Himmelsreisen? Eingang zur St.Anna-Kirche
Rechts “Happy Tour”, links mit Spezialität Himmelsreisen? Eingang zur St.Anna-Kirche

Brasov zeichnet sich durch eine fast italienische, mediterrane Atmosphäre aus. Nichts von der latenten Depressivität, die so typisch ist für Rumänien. Die Altstadt liegt in einem Kessel geborgen und sehr schön erhalten – ein Verdienst der ausgewanderten Deutschen und ihrer Kultur der Sorgfalt.
Kein Zufall, dass wir hier, am letzten Tag unserer Reise, die ersten Schweizer treffen, und erst recht kein Zufall, dass das in einem Outdoor-Shop ist (weil ich meine Stirnlampe verloren habe, und bei den Singrunden ab Mittwoch brauch ich eine). Auch die Dichte der Natel-Läden ist so hoch wie nirgends sonst, und die Label-Shops wechseln sich eifrig mit den Restaurants ab in der Fussgängerzone.

Brasov ist auch eine Stadt der Hinterhöfe.
Brasov ist auch eine Stadt der Hinterhöfe.

Dusche mit Radio

Es war eine gute Entscheidung, unsere Reise hier ausklingen zu lassen. Wir sind alle total ermüdet von den vielen Erlebnissen der letzten Wochen, und Brasov ladet ein zum rumhängen.

Wir sind in zwei kleinen Appartements direkt am „Platul Sfatului“ in der Altstadt untergebracht. Typisch für Brasov in einem Hinterhof, der durch einen dunklen Gang direkt auf den Platz hinaus führt.

Massagedüsen, Regler, Radio, Lightshow, Duschkopf, Deckenbrause (v.u.n.o) :-)
Massagedüsen, Regler, Radio, Lightshow, Duschkopf, Deckenbrause (v.u.n.o) 🙂

Die Räume sind kühl, und beim „Kinder-Appartement“ hats eine Dusche, die für rumänischen Luxus steht. Mensch kann wählen zwischen drei Wasserquellen (von der Seite, Duschkopf und von der Decke), es gibt verschiedenfarbige Beleuchtungsvarianten und als Tüpfchen auf dem „i“ ein eingebautes Radio. Stellvertretend für die Erholung, die zuvorderst steht.

Die Stadt in der Schüssel (Pfeil: wo wir sind)
Die Stadt in der Schüssel (Pfeil: wo wir sind)
Der "Munta de Tampa" (Schildberg)
Der “Munta de Tampa” (Schildberg)

Ausklingen und Erholen

Die „intown“-Sehenswürdigkeiten sind schnell gesehen (und damit das schlechte Gewissen beruhigt ), als Ausgleich besteigen Sabine und ich den Hausberg zu Fuss (das hat sich Sabine zum Geburtstg gewünscht).

Der Rest ist lesen, schreiben, schlafen, gamen, chillen, Karten spielen – quasi “La șuetă” (ausgesprochen “la Schuetza”).

Altstadt - und hinten "la șuetă. prosaisch übersetzt mit "Chat", wunderbar beschrieben als "Conversație ușoară, spirituală și distractivă între prieteni" ("Leichtfüssiges, geistreiches, unterhaltsames Gespräch unter Freunden")
Altstadt – und hinten “la șuetă. prosaisch übersetzt mit “Chat”, wunderbar beschrieben als “Conversație ușoară, spirituală și distractivă între prieteni” (“Leichtfüssiges, geistreiches, unterhaltsames Gespräch unter Freunden”)

Auch schön ist, dass wir morgen „nur“ 180km nach Bukarest fahren müssen statt der gewohnten 400km.
Also noch Zeit für ein gemütliches zmorge, und eine entspannte Fahrt.

…und dann beginnt ein anderer Film…

Verkehrssicherheit in Rumänien: Alt bremst Neu aus (und woher kennen wir das?)

Samstag, 27, Juli. Die Rumänen fahren wie die Henker. „Wenn das Gesetz idiotisch ist, dann hält sich auch niemand dran“, sagt Ionel. Ein Schelm, wer Parallelen zieht…

50 – 70 – 30 – 90 – 50 – 70 – 50 – 30 – 50. Eine solche Geschwindigkeitslimitenfolge hat in Rumänien locker in einem Strassenkilometer Platz. Jede leichte Strasssenbiegung wird mit einer zusätzlichen Temporeduktion geehrt, und ist ein „30“-Schild auch sichtbar älter als ich selber, hat es immer noch seine juristische Gültigkeit. Was auf Rumäniens Strassen geschieht, kommt mir unangenehm bekannt vor.

Breite Strasse, kein Verkehr, menschenleeres Dorf - und Tempo 30.
Breite Strasse, kein Verkehr, menschenleeres Dorf – und Tempo 30.

Viereinhalb statt sechs Stunden

 Die Tempolimiten stammen aus einer Zeit, in der „Caruzzas“ (Pferdekarren) das Verkehrsbild bestimmten. Autos waren selten, und wenn, dann waren es alte Dacias. Oder riesige Lastwagen-Ungetüme, im Westen ausrangiert.
1998 brauchten wir für die Strecke von Bukarest nach Verseni sechs Stunden, ganze eineinhalb Stunden länger als heute.
Denn (nicht nur) die grossen Verbindungsstrassen waren ein Jahrzehnt lang praktisch eine einzige Baustelle –und heute sind sie breit, mehrspurig, sicher. Auch die „Autoflotte“ der Rumänen ist auf West-Niveau. Alte Dacias sind praktisch ganz von der Strasse verschwunden, und man muss per Gesetz auch tagsüber mit Licht fahren.

Reproduktion des Gestern

Ideale Bedingungen also für flüssiges, zügiges Fahren. Nur eben: die Tempo-Limiten sind in der Ceaucescu-Zeit stehen geblieben. Sie werden munter weitergeführt und auch auf den neusten und frisch renovierten breiten Überlandstrassen reproduziert.
Die Folge: Niemand hält sich an Tempo-Limiten. Der fehlende Realitätsbezug führt dazu, dass jedermensch sich sein individuelles, eigenes Gesetz macht – was eben nicht zur Verkehrssicherheit beiträgt.
Wie weiter oben schon erzählt, halb Rumänien sässe hier im Gefängnis, wenn Raul Bobadilla der Massstab wäre.

Solidarisch gegen Gesetze

Natürlich gibt’s Kontrollen, Radar, Bussen. Und natürlich geschieht, was geschehen muss: Die Rumänen entwickeln immer neue technische Tricks, um rechtzeitig von Radarkontrollen zu erfahren, sie haben Funk und warnen die Fahrer auf der Gegenfahrbahn per klar definiertem Lichthupensignal.
Resultat: Als Ausländer schleichst Du daher (oder Du hängst Dich an einen Rumänen im Vertrauen darauf, dass er weiss, wenn es eine Kontrolle gibt), als Rumäne hast Du mal Pech, und ansonsten bestimmst Du Dein eigenes Tempo.
Auf einer vierspurigen Strasse über zwei Kilometer hinweg mit 50 oder 30 durch ein ausgestorbenes Zeilendorf zu fahren ist dann ebenso idiotisch wie mit 160 durch zu rasen.
Und natürlich: Das eigentliche Ziel von Tempolimiten (Verkehrssicherheit) geht dabei in jedem Fall flöten.
Unter dem Strich: Ein wunderbares Beispiel, wenn Gesetze in einer Zeit verharren, die wortwörtlich von der Gegenwart überholt sind.

…Und wieso kommt mir das alles so bekannt vor?