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Bukarest – auf dem Weg (zurück) zur “Freudenstadt”

Die Vergangenheit und die Gegenwart ist da, das Verfallene und das Neue, die Epoche vor und die nach Ceaucescu und der Horror zwischendrin auch. Ein Foto spricht für ganz Bukarest. Auf dem Weg in eine Zukunft, die an die glorreiche Vergangenheit anknüpft.

Mitten in der Fussgänger-Zone im „Centrul historic“. Hunderte von Bars, Cafés und Beizli aller Art, in jedem erdenklichen Style. Alle sind sie höchstens 4 Jahre alt. Tagsüber ist die Zone einladend für eine Ruhe-Pause, abends vollgestopft mit fröhlichen Menschen im Ausgang, bis spät in die Nacht summen die Gassen vor gutgelaunten Menschen wie ein Bienenstock. Von Jahr zu Jahr kommen ein Dutzend neue Bars und Beizli dazu. Kaum ein Quadratmeter, wo es kein gratis-wlan gibt.

(Stadt-)Geschichte, erzählt in (Stockwerk-)Schichten

 

Bukarest heisst "Freudenstadt". Dies war es einmal. Dann lange Zeit "Miserable". Nun wieder auf dem Weg zu alter Freude.
Bukarest war lange Zeit “die Miserable”. Nun ist die Stadt wieder auf dem Weg zu alter Freude.

 

Die Fassaden sind überall modern, hypermodern, postmodern, nostalgisch, phantasievoll – im Erdgeschoss. Hier sind es neue Bretterwände, davor ein Sonnenschirm, ein Werbeplakat, eine Satellitenschüssel.

Ab dem ersten Stock ein total anderes Bild. Dort zeigt sich auf den ersten Blick der Verfall der Häuser. Die Wände am Bröckeln. Die Scheiben blind oder zerschlagen. Ein Gewirr von Stromkabeln.

Das “Kleine Paris” von damals

Hinter dem Verfall ist die schillernde Vergangenheit von Bukarest noch nicht verschwunden. Anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts galt Bukarest als „das kleine Paris“. Vor etwas mehr als hundert Jahren war hier ebenfalls pulsierendes Leben, die Innenstadt prächtig gebaut.

Warmes Beige, schmuckvolle Verzierungen an Fenstern und am Dach. Sie lassen erahnen, dass es den Menschen hier einmal richtig gut ging.

Les Miserables – Kultur, Elend, Überleben

En Miniature wird dies alles kondensiert mit der Inschrift „Les Misérables“:

Hier war damals ein Theater untergebracht, Zeichen für Kultur und Lebensfreude. Das lebenspralle, dramatische Theater-Stück von Victor Hugo: ein Inbegriff der französischen Theater-Geschichte.

Die Inschrift schafft eine symbolische Brücke zur Realität: Auch hier waren die Menschen lange „Miserable”, Knechte ihres grössenwahnsinnigen Diktators, ebenso wie der Zustand des Quartiers immer miserabler wurde.

Doch die Inschrift, sie hat als Erinnerung an die prächtige Bukarester Zeit überlebt.
Heute steht sie da wie ein Doppel-Mahnmal: für die miserable letzte Epoche und für die kulturell hervorragende vorletzte Epoche der Stadt.

Die Vergangenheit ist die Zukunft

Die Fassaden, sie werden nicht alle überleben, aber da und dort wurden sie bereits wunderbar renoviert.

Das Werbeplakat, es erscheint wie eine Aufforderung: „Ja, genau hier sollte man die Wände neu streichen!“
Die Vergangenheit, sie ist eine Verheissung. Die Gegenwart lässt es schon spüren – Bukarest ist auf dem Weg, sich wie Phoenix aus der Asche zu erheben.

Der Name Bucuresti bedeutet „Stadt der Freude“.

 

Die Bukarester Schalterbeamtin

Vorurteile sind hartnäckig. Und änderbar. Überraschung!

 

 

Das Faltboot, das in seinem früheren Leben ein Flugticket war
Das Faltboot, das in seinem früheren Leben ein Flugticket war

Ich stehe in der Schlange zum Check-In in Bukarest. Es scheint nicht vorwärts zu gehen. Im Kopf unzählige Erlebnisse an rumänischen Bank-, Flugplatz-, Zoll-, Post- und anderen Schaltern. Vereinendes Merkmal der BeamtInnen: mürrisch, gelangweilt, humorlos, unfreundlich, immer bereit zur Erfindung einer neuen Schikane.

Dann bin ich dran. Die bildhübsche Roxana nimmt meinen Pass und checkt, was sie halt so checken muss. Derweil falte ich das e-ticket in drei Teile, damit ich es nachher gut mitnehmen kann.
„Faceti un avion (machen Sie ein Flugzeug)?“ fragt sie breit grinsend. Ich, erst mal perplex, grinse zurück und sage „nein“.
– Sie: „Könnten Sie denn eins machen?“
– Ich: „Ehm, ja, ich glaube schon.“
– „Soll ich Ihnen eins machen?“
Und bevor ich, leicht verdattert, antworten kann, schnappt sie sich das Ticket und beginnt zu falten.
Dabei beugt sie sich über das Papier und schaut verstohlen nach links und rechts, ob niemand von ihren Kollegen nebenan sehen, was sie da tut.
– „Ich kann leider kein Flugzeug – ich mache Ihnen ein Boot, ok?“
Ich, mittlerweile gefasst, antworte grinsend: „haben sie das in Ihrer Ausbildung gelernt?“
– Sie (grinst weiter): „Ja, ein Flugzeug haben Sie ja schon.“
-„Meinen Sie, ich brauche ein Boot in ihrem Flugzeug?“
– „Na, SIE haben jetzt jedenfalls eines.“ Sagts und überreicht mir das Faltboot, das seinem früheren Leben ein e-ticket war. „Aber niemandem sagen, gell?“ und reicht mir ganz geschäftsmässig meinen Pass hinterher.
Ich verlasse den rumänischen Check-in-Schalter, immer noch blöd grinsend. Was war denn das jetzt eben grad?
Wunder geschehen. Auch in Rumänien.
Roxana, you made my day.