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Verkehrssicherheit in Rumänien: Alt bremst Neu aus (und woher kennen wir das?)

Samstag, 27, Juli. Die Rumänen fahren wie die Henker. „Wenn das Gesetz idiotisch ist, dann hält sich auch niemand dran“, sagt Ionel. Ein Schelm, wer Parallelen zieht…

50 – 70 – 30 – 90 – 50 – 70 – 50 – 30 – 50. Eine solche Geschwindigkeitslimitenfolge hat in Rumänien locker in einem Strassenkilometer Platz. Jede leichte Strasssenbiegung wird mit einer zusätzlichen Temporeduktion geehrt, und ist ein „30“-Schild auch sichtbar älter als ich selber, hat es immer noch seine juristische Gültigkeit. Was auf Rumäniens Strassen geschieht, kommt mir unangenehm bekannt vor.

Breite Strasse, kein Verkehr, menschenleeres Dorf - und Tempo 30.
Breite Strasse, kein Verkehr, menschenleeres Dorf – und Tempo 30.

Viereinhalb statt sechs Stunden

 Die Tempolimiten stammen aus einer Zeit, in der „Caruzzas“ (Pferdekarren) das Verkehrsbild bestimmten. Autos waren selten, und wenn, dann waren es alte Dacias. Oder riesige Lastwagen-Ungetüme, im Westen ausrangiert.
1998 brauchten wir für die Strecke von Bukarest nach Verseni sechs Stunden, ganze eineinhalb Stunden länger als heute.
Denn (nicht nur) die grossen Verbindungsstrassen waren ein Jahrzehnt lang praktisch eine einzige Baustelle –und heute sind sie breit, mehrspurig, sicher. Auch die „Autoflotte“ der Rumänen ist auf West-Niveau. Alte Dacias sind praktisch ganz von der Strasse verschwunden, und man muss per Gesetz auch tagsüber mit Licht fahren.

Reproduktion des Gestern

Ideale Bedingungen also für flüssiges, zügiges Fahren. Nur eben: die Tempo-Limiten sind in der Ceaucescu-Zeit stehen geblieben. Sie werden munter weitergeführt und auch auf den neusten und frisch renovierten breiten Überlandstrassen reproduziert.
Die Folge: Niemand hält sich an Tempo-Limiten. Der fehlende Realitätsbezug führt dazu, dass jedermensch sich sein individuelles, eigenes Gesetz macht – was eben nicht zur Verkehrssicherheit beiträgt.
Wie weiter oben schon erzählt, halb Rumänien sässe hier im Gefängnis, wenn Raul Bobadilla der Massstab wäre.

Solidarisch gegen Gesetze

Natürlich gibt’s Kontrollen, Radar, Bussen. Und natürlich geschieht, was geschehen muss: Die Rumänen entwickeln immer neue technische Tricks, um rechtzeitig von Radarkontrollen zu erfahren, sie haben Funk und warnen die Fahrer auf der Gegenfahrbahn per klar definiertem Lichthupensignal.
Resultat: Als Ausländer schleichst Du daher (oder Du hängst Dich an einen Rumänen im Vertrauen darauf, dass er weiss, wenn es eine Kontrolle gibt), als Rumäne hast Du mal Pech, und ansonsten bestimmst Du Dein eigenes Tempo.
Auf einer vierspurigen Strasse über zwei Kilometer hinweg mit 50 oder 30 durch ein ausgestorbenes Zeilendorf zu fahren ist dann ebenso idiotisch wie mit 160 durch zu rasen.
Und natürlich: Das eigentliche Ziel von Tempolimiten (Verkehrssicherheit) geht dabei in jedem Fall flöten.
Unter dem Strich: Ein wunderbares Beispiel, wenn Gesetze in einer Zeit verharren, die wortwörtlich von der Gegenwart überholt sind.

…Und wieso kommt mir das alles so bekannt vor?

„Bitte fragmentieren Sie Ihre Festplatte“

Samstag, 27. Juli. Noch viel gäbe es zu sehen und zu machen in Rumänien. Wir haben das bereits. Deshalb verlangsamen wir noch einmal das Tempo getreu dem Spruch „Touristen sind am Hasten, Reisende erleben im Warten.“ – Oder, wie der Rumäne sagt: “Gata!” Genug.

Ovidiu an der "Tiroliana"
Ovidiu an der “Tiroliana”

„Ah, Ihr seid in Sovata! – Dann müsst ihr unbedingt noch Targu Mures anschauen!“ – „Turda ist einen Ausflug wert!“ – „Auf dem Weg nach Brasov ist Shigishoara ein Must-See, tolle mittelalterliche Altstadt!“ – „in Frasov gibt es viele Ausflugsmöglichkeiten, Oana kann Euch sicher genaueres sagen!“ So prassseln die Vorschläge auf uns ein, für die letzten drei Tage unserer Reise.

Speicher voll

Keinen einzigen werden wir beherzigen. Wir alle spüren, dass wir bis oben genug Eindrücke geschenkt erhalten haben. „Speicher voll – Bitte defragmentieren Sie Ihre Festplatte!“ So geht es uns.
Wir merken, dass wir mehr Zeit für uns selber brauchen. Sei es mit lesen (Sabine), gamen (Tobit), Geschichten (Yael, Elisha) oder Blog (Thierry) schreiben.
Niemand hat Lust, noch mehr kennen zu lernen. Brasov, die schöne Stadt reicht uns vollkommen.

Gruppenfoto in Sovata
Gruppenfoto in Sovata

Fussballplatz statt Altstadt

So verabschieden wir uns mit dem Besuch des Klettergartens von Sovata und fügen ein weiteres „ich hätte nie gedacht…“-Erlebnis unserer Reise hinzu.
Nach einer letzten “Ciorba de Fasole in Paine de Casa” (Bohnensuppe im Hausbrot) machen wir ein „La Revedere“-Gruppenfoto und fahren danach an all den Sehenswürdigkeiten auf dem Weg vorbei.
Angehalten wird nur, wenn wir einen Fussballplatz am Strassenrand sehen. In Miroslovesti hat Tobit das Projekt lanciert, ab jetzt jeden Fussballplatz zu fotographieren, und wir alle finden das eine spezielle Perspektive auf das Land.
Also vorbei an Shigishoara und Stopp am Fussballplatz mit Wohnwagen an der Mittel-Linie, der aussieht wie eine Reporterkabine, aber tatsächlich bewohnt wird.

In Brasov im übergangsmässigen Hostel einchecken (Danke Martina fürs Organisieren!) und nach ausgiebiger „Jederfürsichzeit“ eintauchen in die Stadt, die als schönste Rumäniens gilt.

Fussballplatz mit Wohnwagen
Fussballplatz mit Wohnwagen