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Karsamstag: Die Sinnlosigkeit


Und nun? Jesus ist gestorben, und das haben wir überlebt. Aber was bringt es? Die Welt ist sinnlos. Unmoralisch.
Wenn ein Löwe eine Gazelle reisst, auf welcher Seite sollen wir stehen? Wenn der Löwe nicht mordet, stirbt er.

Der Karsamstag ist das:
Keine Schmerzen, das nicht, aber
“Verlore wie-n-e Gagu im Wäutau” (Stiller Has).
Darf man so etwas schreiben?
Macht es überhaupt Sinn, sich noch Mühe zu geben?

Fluchtwege:
– zB Zynismus – tönt immer klug, man muss keine Stellung beziehen.
“Was bringen die Umwelt-Demos der Jungen, die danach ein Easy-Jet-Wochenende geniessen?” – “Wieso spendet man Millionen Euros an tote Notre-Dame-Steine statt an die Pariser Obdachlosen?” – Engagement mit Whataoboutismus abschiessen und sich selbst schadlos halten. Das ist Karsamstag.
– zB Resignation – nur noch das eigene Gärtchen pflegen, Visionen sein lassen, weil man sowieso an “denen dort oben” scheitert. Ist eh nur verlorene Mühe.

Karsamstag ist der Tag dafür.
Der spitze Schmerz der ermordeten Hoffnung ist weg – und die grosse Leere macht sich breit.
Lähmend – und darin nachhaltiger als ein Schlag ins Gesicht.
Tonlos – und darin lauter als ein gellender Schrei.
Das Nichts in der “unendlichen Geschichte”, die Dementoren bei Harry Potter.

Es ist kein Zufall, dass dieser “durchsichtige” Tag gar nicht wahrgenommen wird.
Gefühle dürfen hoch und tief sein. Aber sie dürfen nicht abwesend sein.
Menschen, die nichts fühlen, sie sind die Outlaws von Ostern.
“Gott, wo ist der Sinn?” – diese Frage ist ein Tabu, in der Gesellschaft, in der Kirche, an Ostern.

Der Karsamstag hört sich diese Frage an (wenn wir offene Ohren haben).
Der Karsamstag gibt diesen Gefühlen Raum (wenn wir sie zulassen).
Der Karsamstag nimmt alle Menschen ernst, die sich so fühlen.
Eingebunkert in einem Grab ohne Licht, ohne Ton.

Nicht tod und nicht lebendig.
Irgendwie am Leben, aber irgendwie schon lebendig tot.
Grau in Grau.

Ihnen gehört der heutige Tag.

“Mami, wie spielt man Friede?”

Ist friedlich spielen Frieden spielen?

Die Geschichte wird gerne erzählt: Kinder toben draussen mit Holzstecken herum, spielen gleichzeitig Star Wars, Pokemon, Spider Man und Asterix, sie sterben hundert Tode und stehen wieder auf, ihre rote Backen glühen vor Begeisterung.
Die Mutter bringt das Zvieri und meint: “Spielt doch was friedliches.” Nach zehn Minuten stehen die Kinder hinter ihr und fragen: “Mami, wie spielt man Frieden?”
Gute Frage. Interessant auch, dass die Geschichte in allen Unterrichtsbüchern hier endet. Hm. Rumsitzen und schweigen, das ist ja nicht einfach Friede. Und lächeln, solange die Mutter schaut und zuschlagen, sobald sie aus dem Zimmer ist: Erst recht nicht.

Friede hat mit Regeln zu tun

Wie spielt man Friede? Wikipedia sagt, Friede ist die Folge von “Friedensbemühungen”, Konflikte innerhalb von festgelegten Regeln auszutragen. Man könnte also den Kindern sagen: “Erfindet einen Konflikt zwischen Euch und versucht ihn so zu lösen, dass ihr am Schluss beide zufrieden seid. Dann habt ihr Frieden und es gibt Dessert.”
Um sich auseinanderzusetzen, muss man sich also zusammensetzen. Friede gibt es nicht, wenn sich eine Seite dem Gespräch verweigert.

Momentane Bedürfnisse

Die meisten Konflikte geschehen aus einem eigenen momentanen Bedürfnis heraus. Andere empfinden das gesetzlich oder moralisch als Regelbruch und fühlen sich ungerecht behandelt. Sie reagieren darauf – voilà der Konflikt.
Verschärfend wirkt, dass es für viele Menschen schwierig bis unmöglich ist, eigene Fehler zuzugeben, aus fehlender Grösse oder aus Angst, dass die eigenen Bedürfnisse dann nicht mehr ernst genommen werden.
Schnell entsteht so ein dorniger Konflikt-Irrgarten voller Sackgassen und lauernden Monstern. Helfen würde: sich abkühlen, die Bedürfnisse hinter den eigenen Emotionen finden, zuhören. Im Alltag reicht dies meist schon.

Peacemaker gesucht

Wo es schwieriger wird, gibt es “Peacemaker”. Sie heissen Unparteiische, Mediatoren, Therapeutinnen, Richter, Ombudsfrauen etc. Sie überprüfen die Regeln, achten auf beide Sichtweisen und schauen unter die Oberfläche.
Im zweitbesten Fall akzeptieren die Konfliktparteien, wie die “Peacemaker” die geltenden Regeln auslegen. Im schlechtesten Fall setzt sich durch, was die überwiegende Mehrheit der Menschen ebenso wie die machtlosen „Peacemaker“ als Unrecht verurteilen. Dem sagt man dann ein bisschen zynisch “Willkommen im richtigen Leben”. Deshalb hat Jesus der Kirche wohl angetragen, “bei Euch aber soll es nicht so sein.” – OMG!
Und schliesslich: Im besten Fall gelingt eine win-win-Lösung: gegenseitiges Anerkennen, Wiedergutmachen, Versöhnung, und dann: Frieden. Wenn das geschieht, dürfen wir uns mit Fug und Recht freuen.

Wie Friede aufgeht

Wie spielt man Frieden?“ Vielleicht so: Man nehme die eigene und eine andere Sicht, gebe Emotionen hinzu und schlage ein bisschen alles auf den Tisch. Danach schaut man die bekannten und unbekannten Zutaten gut an, gibt Fehlertoleranz und viel Respekt dazu, vielleicht hole man noch einen Koch, der einem die merkwürdig riechenden Zutaten erklärt. Dann rührt man alles achtsam und vorsichtig zusammen, bis es passt, Schweisstropfen inklusive, gibt es geduldig in eine Form, lässt es im Ofen aufgehen, und dann – “Mami, s Dessert isch parat!”