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Ostern – “Something Will Happen”

Was haben “Game Of Thrones” und der Brand in Notre Dame mit Ostern zu tun? Herausfordernde Frage, die sich da in meinem Hirn eingenistet hat. Ich hab es gewagt, der Frage nicht aus dem Weg zu gehen… Hier das Resultat in österlicher Mundart 🙂

Das Osterfeuer: Symbol für den Sieg des Lebens, machtvoll wie ein Drache.

Vor e paar Wuche ha-n-i e Text vom Willi Näf gläse, „Der bockige Messias“, d Zyttig heig dä Text nit welle, und i ha dänkt, super, das isch quasi my Oschtertext. Aber denn hän sich plötzlig zwäi Froge in mym Kopf ygnischtet.

Am Mäntig het die letschti Staffle vo Game Of Thrones agfange, die epischi Färnseh-Serie um Macht und Liebi, Läbe und Tod, und au bi vor em Färnseh gsässe und ha welle wüsse, wie die Gschicht uf ihri Zylgrade ybiegt.

Biblische und andere Geschichten

Ich bi dr Überzügig, dass Gschichte, wo so vyli Mensche berüere, immer e Botschaft in sich trage, wo s um e Kärn vom menschlige Läbe goht, egal, ob bim Noah und dr Sintfluet, bim Harry Potter und em Lord Voldemort, bim Moses und bim Salomo, bi Star Wars oder ebe bim Jesus synere Läbensgschicht.

Und s goht drby äigentlig nie drum, ob em Harry syni Zaubersprüch wirklig funktioniere, sondern was ich für mys äigene Läbe ka us dere Gschicht mitnäh. Also hani mi plötzlig afo froge: Het Game Of Thrones äigentlig irgendöppis mit Oschtere z tue?

Höllische Flammen wie aus Drachenmund

Und wortwörtlig glychzyttig, wo-n-i uf dr Start vo Game Of Thrones gwartet ha, hän mi d Bilder vo dr brennende Notre Dame überwältigt – und die monumentale Flamme hän mi tiefer berüert als jedes Füür vo de bäide Drache vo dr Danaerys in Game of Thrones. Und plötzlig ha-n-i mi au do afo froge: Was bedütet jetzt Oschtere im Zämmehang vo däre Hölle-Katastrophe?
Für mi isch klar gsi: Au wenns nit so äifach isch, i muess dene Froge nochegoh.

In Game Of Thrones gohts zue und här wie bim Moses und em Pharao, do wird gmordet und gschlegeret, gliebt und ghasst. Allerdings isch in dr Färnseh-Serie im Kampf gege s absolute Böse no offe, ob „D Armee vo de Tote“ ka besigt wärde, also ob unseri Heldinne und Helde wärde Oschtere erläbe.

Vom Prinzesschen zur Leaderin

Als erschts fallt mr uf, wie d Fraue zu Leaderinne wärde. Am Afang hän nume Männer über Armee, Burge und Länder regiert. Jetzt in dr letschte Staffle sin d Leaderfigure fascht nume Fraue. Und dene Fraue het me allesamt könne zueluege, wie sie sich entwickle. S verwöhnte Prinzässli Sansa, d Arya wo lieber e Bueb gsi wär, d Daenerys mit ihrne klassische Blondine-Attribut, si alli hän durch Lyde, Schmärz und Tiefschläg e Wäg zu ächte Leaderinne gmacht.

Und wenn me die ufzellt, wo ganz am Schluss uf em Thron könnte sitze, denn het me ebesovyli Fraue wie Männer uf dr Lischte. Sogar die beide wichtigschte Unsympathe vo dr Serie sin je e Frau und Ma, d Cersei im Süde und dr Nightking im Norde.

Vom Rand zur Mitte

Au alli Männer-Hauptfigure sin am Afang Ussesytter gsi und hän sich durch langi, schmärzrychi Umwäg zu Leader entwicklet:
Dr missbildeti Zwärg Tyrion zum kluge Beroter vo dr Königin, dr lahmi Brandon zum grosse Prophet, dr uneheligi Jon Snow zum authentische König, und dr fetti Samwell zum tatkräftige Glehrte.
Wie die grosse Fraue het jede vo ihne dur d Höll vom Karfryttig und durch d Hoffnigslosigkäit vom Karsamschtig miesse duregoh, zum zu synere lebändige Bestimmig z finde.

Die eigenen Abgründe kennen

Drittens: alli Heldinne und Helde in Game Of Thrones sin käini Strahlemänner und -fraue. Si alli kenne d Abgründ vo dr äigene Seel, kenne Gfühl vo Nyd oder Hass, wie in dr Bible au dr Moses oder dr König David.
Aber genau das macht si zu Vorbilder: Si sin sich ihre Schwächene bewusst, kenne Zwyfel und Angscht – und kapituliere nit drvor, sondern stöhn immer wider uf und wachse am äigene Versage.

Aufstehen zur eigenen Bestimmung

Das alles het für mi tatsächlig mit Oschtere z tue: Fraue wo e glychberächtigti Rolle hän, Ussesytter wo trotzdäm ihri Stärki entwickle, s Wüsse um die äigene dunkle Sytte.
Immer wider ufstoh, und grad so s Schöne und Guete umso meh gniesse.
Und do findi, bin i sehr noch an dr Oschtergschicht vo de todtruurige Jünger und denn däm Erläbnis vo dr Maria Magdalena.

Notre Dame und Ostern?

Ok, und Notre Dame? Oschtere? Das isch jo käi erfundeni Gschicht, das hämmer alli live miterläbt. Das machts no schwiriger, find i.
Oschtere? Dass es käini Tote gäh het? Dass nit alles zämmekracht isch? D Wälle vo wältumspannender Truur, wo eim dr Ydruck git, dass me doch irgendwie zämme ghört? Die überwältigendi Beräitschaft, Gäld für e Widerufbau byztrage?
Villicht. Und klar, jede einzelne vo dene Pünkt könnt me miteme zynische Kommentar aberysse. Zynismus findi aber ebeso billig wie unchrischtlig.
Oder ischs vorderhand äifach mol guet, die kläine guete Sache z gseh?
Oder stimmt villicht sogar s Gegetäil: dass es falsch wär, jetzt scho umsverworge welle Oschtere z beschwöre?
Villicht bruchts 300 mol drei Täg, bis do ka öschterlig öppis neus uferstoh?

“…und strahlt in der Sonne”

Und denn het mr gescht öpper per Whattsapp e Foti vo dr Notre Dame gschiggt und drzue gschribe: “Sie steht noch und strahlt in der Sonne.”
Hm. Isch das villicht e bitz Oschtere?
Het d Notre Dame jetzt fascht no e grösseri Usstrahlig? Trotz, oder grad wägem Wüsse um dä schreckligi Brand?

Oschtere macht jo nit, dass es dr Karfryttig nüm git. Sondern, dass es nit s letschte isch.
Wenn Oschtere also dr Tag isch, wo me früener wortwörtlig uf de Gräber tanzt het, denn isch das whattsapp villicht tatsächlig e Oschterbotschaft:

“Ha, Du Füürtüüfel, d Notre Dame het no die stärkeri Usstrahlig als vorhär!”

“Something Will Happen”

Zum Schluss none Gschicht, wo emol dr Paul McCartney verzellt het.

“Eines Nachts reisten wir in unserem Büsli von einem Konzert zurück nach Liverpool.
Wir kamen in einen fürchterlichen Schneesturm, und unser Büsli schlidderte ab der Strasse einen Hang hinunter.
Uns war nichts passiert,wir waren mutterseelenalleine unterwegs, wer fährt schon mitten in der Nacht durch einen Schneesturm?
Aber wir hatten natürlich keine Chance, das Büsli wieder auf die Strasse zu kriegen.
Einer von uns sagte „Und was passiert jetzt?“, und ein anderer von uns sagte: „Ich hab keinen Schimmer. Something Will Happen – Etwas wird passieren.“
Im Moment, als er das gesagt hatte, wussten wir: dieser Satz wird für uns zu einem Sprichwort werden.
Und Du kannst es glauben oder nicht, kurze Zeit später kam ein Lastwagen, der uns mit nach Liverpool nahm.
Dieses Erlebnis prägte meine Sicht auf die ganze Welt: Das Vertrauen in einen gutwilligen Geist.”

Das Leben ist stärker

Oschtere also heisst:
S blybt nit Nacht. Nie.
Dr Tag kunnt, d Sunne kunnt.
Es wachst neus Läbe us em verrottete Komposcht.
Stark, grüen, bunt, fruchtbar.
Deshalb ist heute der Tag für dieses Osterlied von Rudolf Otto Wiemer

Die Erde ist schön, und es lebt sich leicht im Tal der Hoffnung.
Gebete werden erhört, Gott wohnt nah, gerade hinter dem Zaun.
Die Zeitung weiss keine Zeile vom Turmbau.
Das Messer findet den Mörder nicht, denn er lacht mit Abel.
Das Gras ist unverwelklicher grün als der Lorbeer,
Und im Rot der Rakete nisten die Tauben.
Alle Wege sind offen, im Atlas fehlen die Grenzen,
Das Wort ist verstehbar, wer Ja sagt, meint Ja, und „Ich liebe“ meint „Jetzt“ und „ewig“.
Der Zorn brennt langsam, die Hand des Armen ist nie ohne Brot.
Geschosse werden im Flug gestoppt, der Engel steht abends am Tor.
Er hat ganz normale Namen, und wenn ich sterbe, dann sagt er „steh auf“.

Schöni Oschtere!

 

 

Karsamstag: Die Sinnlosigkeit


Und nun? Jesus ist gestorben, und das haben wir überlebt. Aber was bringt es? Die Welt ist sinnlos. Unmoralisch.
Wenn ein Löwe eine Gazelle reisst, auf welcher Seite sollen wir stehen? Wenn der Löwe nicht mordet, stirbt er.

Der Karsamstag ist das:
Keine Schmerzen, das nicht, aber
“Verlore wie-n-e Gagu im Wäutau” (Stiller Has).
Darf man so etwas schreiben?
Macht es überhaupt Sinn, sich noch Mühe zu geben?

Fluchtwege:
– zB Zynismus – tönt immer klug, man muss keine Stellung beziehen.
“Was bringen die Umwelt-Demos der Jungen, die danach ein Easy-Jet-Wochenende geniessen?” – “Wieso spendet man Millionen Euros an tote Notre-Dame-Steine statt an die Pariser Obdachlosen?” – Engagement mit Whataoboutismus abschiessen und sich selbst schadlos halten. Das ist Karsamstag.
– zB Resignation – nur noch das eigene Gärtchen pflegen, Visionen sein lassen, weil man sowieso an “denen dort oben” scheitert. Ist eh nur verlorene Mühe.

Karsamstag ist der Tag dafür.
Der spitze Schmerz der ermordeten Hoffnung ist weg – und die grosse Leere macht sich breit.
Lähmend – und darin nachhaltiger als ein Schlag ins Gesicht.
Tonlos – und darin lauter als ein gellender Schrei.
Das Nichts in der “unendlichen Geschichte”, die Dementoren bei Harry Potter.

Es ist kein Zufall, dass dieser “durchsichtige” Tag gar nicht wahrgenommen wird.
Gefühle dürfen hoch und tief sein. Aber sie dürfen nicht abwesend sein.
Menschen, die nichts fühlen, sie sind die Outlaws von Ostern.
“Gott, wo ist der Sinn?” – diese Frage ist ein Tabu, in der Gesellschaft, in der Kirche, an Ostern.

Der Karsamstag hört sich diese Frage an (wenn wir offene Ohren haben).
Der Karsamstag gibt diesen Gefühlen Raum (wenn wir sie zulassen).
Der Karsamstag nimmt alle Menschen ernst, die sich so fühlen.
Eingebunkert in einem Grab ohne Licht, ohne Ton.

Nicht tod und nicht lebendig.
Irgendwie am Leben, aber irgendwie schon lebendig tot.
Grau in Grau.

Ihnen gehört der heutige Tag.