Home » Blog » Fussball (Seite 3)

Archiv der Kategorie: Fussball

Blind auf dem „Nati-Auge“: Medien und Fussballfans

Hier „frenetisch“, da „gewalttätig“.  Exzesse nach Nati-Spielen blieben während der WM weitgehend unbeachtet. Das wird sich mit dem Beginn der Superleague wohl wieder ändern. Nur Nati-Fans dürfen ungestraft Pyros werfen.

„Tote nach Messerstecherei bei FCB-Meisterfeier“ – „Betrunkener FCZ-Fan stürzt nach Cupfinal von Gerüst: schwerverletzt!“ – „GC-Fans werfen Pyros gezielt auf unbescholtene Bürger!“ – „Eingeschlagene Fensterscheiben von Luzern-Fans: wie lange noch?“ – „Alkohol, Pyros, Pöbeleien: Polizei schaut zu.“

Diese Schlagzeilen hat es nicht gegeben. Denn die “Täter” waren nicht Clubfans, sondern Anhänger der Schweizer und der Deutschen Nati. Deshalb billigen Polizei und Medien all das, was sie bei Clubfans mit grosser Empörung verdammen und medial hochputschen.

Wenn me dääääänggt…

Obwohl das alles passiert ist: Die Meldungen erschienen nicht in all den Zeitungen, die sich sonst zu den Hütern von Fussballmoral hochjubeln. Und die Zeitungen, die darüber berichteten, taten dies kurz und knapp und erfreulich sachlich im Bereich „Vermischtes“.

BLICK-Online geht sogar noch weiter: Alles wird aufgezählt, was in der Schweiz so geschehen ist. Im Umfeld von Schweizer Fussballclubs würde der Boulevard-Riese das sofort zu einer medialen Hexenjagd gegen Clubs und Fans benützen. Diesmal jedoch kleidet er die Nati-Fan-Exzesse Abschnitt für Abschnitt in verharmlosende „scheints war es nicht so schlimm, schliesslich sind wir im Achtelfinal und dürfen uns freuen“-Formulierungen.
Wie würde man sich solch ein Augenmass in der Schweizer Meisterschaft wünschen – leider muss man davon ausgehen, dass es beim frommen Wunsch bleibt.

Die Macht der Bildlegende

Links eine Pyrofackel mitten in der Menge; doch diesmal ist der Focus woanders...
Links eine Pyrofackel mitten in der Menge; doch diesmal ist der Focus woanders…

Das Bild der AZ zeigt ebenfalls die Macht der Untertitel: im Bild sieht man eine böseböse Pyrofackel am Bildrand, mitten in einer feiernden Menge. Im Normalfall würde hier sofort die Gefahr (5,8 Millionen Grad!) beschworen und mit Gewalt verbunden. Hier jedoch: Nichts davon, nur die Feierfreude wird beschrieben.

Gute Nati-Pyros vs. böse Club-Pyros

Das habe ich also von Blick, Sonntagszeitung und Konsorten gelernt: Nati-Fan-Pyros sind gut, Nati-Fans-Verkehrsbehinderungen sind harmlos, Nati-Fan-Gewalt ist bedauernswert, und leider gabs ein paar Tote und Verletzte bei Meisterfeiern. Kann ja mal passieren.

Hingegen sind Clubfan-Pyros böse, Clubfan-Verkehrsbehinderungen kriminell, Clubfan-Gewalt flächendeckend (jeder Matchbesucher ist ein Schläger und Alle sind von Bernhard Heusler persönlich angestiftet!), und „Wahartet nur bis es den ersten Toten gibt, dann werdet Ihr schon sehen“!

Medien tolerieren Gewalt – sobald es ihnen nützt

Es hat sie nun gegeben, die Toten und Verletzten – wo sind sie jezt alle nur abgeblieben, die „Fussball-Gewaltverächter“ aus Medien und Politik?

Die ungleichen Ellen, mit denen diese so genannten „Zeitungen“ messen: das ist widerlich.
Und es zeigt sich: Diesen “Zeitungen” geht es genau nicht um “Gewalt”. Es geht einzig um allerbilligste Effekthascherei und Manipulation.

Pyro-Werfer: hier “friedlich”, da “kriminell”

Die Medien führen diesmal keine Schlacht gegen Exzesse der Fussballfans. Weil “Nati-Fans”, das sind eben irgendwie wir alle.
Anders als bei Fussballclubs trauen sich die Medien darum nicht, die Nati oder uns alle in Sippenhaft zu nehmen, wie es bei Clubfans üblich ist. Darum sind Pyro-werfende Nati-Fans “friedlich-fröhliche Feiernde”, Pyro-werfende GC-Fans aber “Kriminelle”.

Also bleiben die empörten Moral-Kanonen diesmal in der Garage. Man kann dann wieder damit auf Spatzen schiessen, wenn es um FCZ- und FCB-Fans geht. Dann betrifft es nur Wenige, und die journalistische Auswertung fordert kaum Sachkompetenz.

Wer Zeitung liest, weiss was in der Zeitung steht

Ich finde Gewalt im Zusammenhang mit Fussball doof – ob auf dem Rasen, auf den Rängen, vor den Stadien oder bei Fussballfeiern. Und ich bin dafür, damit so umzugehen, wie es der FC Basel tut: In Fanprojekte investieren, den Dialog auf Augenhöhe führen, Übertritte bestrafen.

Kürzlich hab ich gelesen:
“Wer Zeitung liest, erfährt nicht, was in der Welt geschieht. Er erfährt bloss, was in der Zeitung steht.”
Quod erat demonstrandum.

Links:

 

 

Junioren-Trainer müssen draussen bleiben.

Für den Junioren-Trainer ist das Fussballtraining fertig, wenn die jungen Stockers in den Alltagskleidern die Kabine verlassen. Hab ich mal gelernt. Ich hoffnungsloser Nostalgiker…

Buben-Fussball: Männer unerwünscht?
Buben-Fussball: Männer unerwünscht?

In den 80-er-Jahren war ich Fussball-Trainer der F-Junioren. Die jüngsten Buben waren noch im Kindsgi, die ältesten in der zweiten Klasse. Auf dem grünen Rasen ging es vor allem um Spass. Und ein bisschen um ein erstes spielerisches Lernen, wie man Fuss und Ball zusammenbringt.

Die dritte Halbzeit

Mit dem letzten Torgeschrei des Nachmittags hörte das Trainersein nicht auf. Manchmal hatte ich das Gefühl, es fing da erst richtig an. In der Kabine nämlich. Das war quasi die dritte Halbzeit.
Dafür schauen, dass alle Kleider von der Socke bis zum Leibchen den Weg in die Sporttasche finden. Sicherstellen, dass frische Unterhosen und frische Socken angezogen werden.  Schauen, dass der Dreck in der Dusche und nicht an den Knien bleibt. Kontrollieren, dass die Badtücher nicht im Wasser liegen, sondern an der Duschstange hängen. Und danach, klar, helfen beim Schuhe binden.
Halt dafür sorgen, dass aus fröhlichen verschwitzten dreckigen Kerlen ebenso fröhliche und saubere Jungen werden.

Das Training abwaschen

Es war keine grosse Sache, das alles. Es war einfach ein Teil des Trainings. Auf dem Platz kann schon mal ein lautes Wort fallen, auch unter Kindern. Aber in der Kabine und unter der Dusche wird alles wortwörtlich abgewaschen. Eben. No big Deal.

Dann die berühmten fast dreissig aktiv-Fussball-Pausen-Jahre später. Wir kommen in eine Kabine, in der vorher die D-Junioren waren. Ein Bub mit dreckigen Knien verlässt die Kabine. In der Kabine hängen Unterhosen an einem Kleiderhaken. In der Dusche liegt ein Duschmittel.

Aus welchem Jahrhundert?

Ich frage erst die Teamkollegen – und ernte schallendes Lachen. “Aus welchem Jahrhundert stammst denn Du? Ein Trainer in der Bubenkabine? Einmal ein Elternpaar, das sich beschwert, und er hat eine Klage am Hals und kann nie mehr Junioren trainieren! Nein, die Trainer bleiben besser draussen!”

Wie bitte? Der Trainer bestätigt. “Es gab eine Phase, wo sich die Jungs in der Dusche angebiselt haben, da war ich nahe dran, in die Dusche zu gehen. Doch dann hat mir ein Kollege gesagt, gerade das sei besonders heikel, da einzugreifen. Also hab ich den Eltern einen Brief geschrieben, aber ich bin nicht in die Kabinen gegangen.” Ich war sprachlos.

Vorbild ist man(n) immer

Es wundert mich nicht, dass es unter solchen Rahmenbedingungen des Generalverdachts schwierig ist, Juniorentrainer zu finden.
Und: Junioren-Trainer können nicht nicht Vorbild sein. Sie sind es durch ihre Funktion immer.
Trainer werden nun also dazu gebracht, keine Verantwortung zu übernehmen. Sie haben gelernt: Verantwortung kann als Pädophilie angeklagt werden.
Und Buben lernen: Männer übernehmen keine Verantwortung für uns. Verantwortung übernehmen ist nicht männlich.

Verständliches Ziel, falscher Weg

Ja, ich weiss um die guten Absichten, die einen “präventiven” Schutz der Kinder erhoffen.
Aber gibt diese Umsetzung die geforderten “neuen Männer”? Ich sage: nein. Es ist ein Schritt zurück in eine Gesellschaft, in der sich Männer völlig aus der Erziehung heraus nehmen. In eine kranke vaterlose Wolfs-Gesellschaft, die im Schafspelz des “Kinderschutzes” daher kommt.

84% der Übergriffe geschehen im familiären Rahmen. Also bald auch keine Väter am Wickeltisch mehr? Und 20% von den (physischen) Vergehen stammen von Frauen, das sind mehr als die Gesamtzahl an Übergriffen ausserhalb der Familie. Das hehre Ziel hat zu einer schiefen Optik geführt. Und die Folgen bewirken das Gegenteil von dem, was bezweckt werden will.

Ich kann die Trainer und Lehrer und Väter verstehen, die sich in einer solchen Atmosphäre von der Verantwortung für die Kinder gerade in heiklen Situationen zurückziehen. Und ich ärgere mich darüber, dass ausgerechnet eine pervertierte „Emanzipation“ den Vorwand dazu liefert.

Buben brauchen Vorbilder

Darum: Ein Königreich für Männer in Vereinen, die sich trotz General-Verdacht für die Jungen einsetzen, Nähe und Beziehung wagen. Vorbild sind, indem sie sich um sie kümmern. Buben brauchen das. Kinder brauchen das. Die Gesellschaft braucht das.