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Die Bukarester Schalterbeamtin

Vorurteile sind hartnäckig. Und änderbar. Überraschung!

 

 

Das Faltboot, das in seinem früheren Leben ein Flugticket war
Das Faltboot, das in seinem früheren Leben ein Flugticket war

Ich stehe in der Schlange zum Check-In in Bukarest. Es scheint nicht vorwärts zu gehen. Im Kopf unzählige Erlebnisse an rumänischen Bank-, Flugplatz-, Zoll-, Post- und anderen Schaltern. Vereinendes Merkmal der BeamtInnen: mürrisch, gelangweilt, humorlos, unfreundlich, immer bereit zur Erfindung einer neuen Schikane.

Dann bin ich dran. Die bildhübsche Roxana nimmt meinen Pass und checkt, was sie halt so checken muss. Derweil falte ich das e-ticket in drei Teile, damit ich es nachher gut mitnehmen kann.
„Faceti un avion (machen Sie ein Flugzeug)?“ fragt sie breit grinsend. Ich, erst mal perplex, grinse zurück und sage „nein“.
– Sie: „Könnten Sie denn eins machen?“
– Ich: „Ehm, ja, ich glaube schon.“
– „Soll ich Ihnen eins machen?“
Und bevor ich, leicht verdattert, antworten kann, schnappt sie sich das Ticket und beginnt zu falten.
Dabei beugt sie sich über das Papier und schaut verstohlen nach links und rechts, ob niemand von ihren Kollegen nebenan sehen, was sie da tut.
– „Ich kann leider kein Flugzeug – ich mache Ihnen ein Boot, ok?“
Ich, mittlerweile gefasst, antworte grinsend: „haben sie das in Ihrer Ausbildung gelernt?“
– Sie (grinst weiter): „Ja, ein Flugzeug haben Sie ja schon.“
-„Meinen Sie, ich brauche ein Boot in ihrem Flugzeug?“
– „Na, SIE haben jetzt jedenfalls eines.“ Sagts und überreicht mir das Faltboot, das seinem früheren Leben ein e-ticket war. „Aber niemandem sagen, gell?“ und reicht mir ganz geschäftsmässig meinen Pass hinterher.
Ich verlasse den rumänischen Check-in-Schalter, immer noch blöd grinsend. Was war denn das jetzt eben grad?
Wunder geschehen. Auch in Rumänien.
Roxana, you made my day.

Junioren-Trainer müssen draussen bleiben.

Für den Junioren-Trainer ist das Fussballtraining fertig, wenn die jungen Stockers in den Alltagskleidern die Kabine verlassen. Hab ich mal gelernt. Ich hoffnungsloser Nostalgiker…

Buben-Fussball: Männer unerwünscht?
Buben-Fussball: Männer unerwünscht?

In den 80-er-Jahren war ich Fussball-Trainer der F-Junioren. Die jüngsten Buben waren noch im Kindsgi, die ältesten in der zweiten Klasse. Auf dem grünen Rasen ging es vor allem um Spass. Und ein bisschen um ein erstes spielerisches Lernen, wie man Fuss und Ball zusammenbringt.

Die dritte Halbzeit

Mit dem letzten Torgeschrei des Nachmittags hörte das Trainersein nicht auf. Manchmal hatte ich das Gefühl, es fing da erst richtig an. In der Kabine nämlich. Das war quasi die dritte Halbzeit.
Dafür schauen, dass alle Kleider von der Socke bis zum Leibchen den Weg in die Sporttasche finden. Sicherstellen, dass frische Unterhosen und frische Socken angezogen werden.  Schauen, dass der Dreck in der Dusche und nicht an den Knien bleibt. Kontrollieren, dass die Badtücher nicht im Wasser liegen, sondern an der Duschstange hängen. Und danach, klar, helfen beim Schuhe binden.
Halt dafür sorgen, dass aus fröhlichen verschwitzten dreckigen Kerlen ebenso fröhliche und saubere Jungen werden.

Das Training abwaschen

Es war keine grosse Sache, das alles. Es war einfach ein Teil des Trainings. Auf dem Platz kann schon mal ein lautes Wort fallen, auch unter Kindern. Aber in der Kabine und unter der Dusche wird alles wortwörtlich abgewaschen. Eben. No big Deal.

Dann die berühmten fast dreissig aktiv-Fussball-Pausen-Jahre später. Wir kommen in eine Kabine, in der vorher die D-Junioren waren. Ein Bub mit dreckigen Knien verlässt die Kabine. In der Kabine hängen Unterhosen an einem Kleiderhaken. In der Dusche liegt ein Duschmittel.

Aus welchem Jahrhundert?

Ich frage erst die Teamkollegen – und ernte schallendes Lachen. “Aus welchem Jahrhundert stammst denn Du? Ein Trainer in der Bubenkabine? Einmal ein Elternpaar, das sich beschwert, und er hat eine Klage am Hals und kann nie mehr Junioren trainieren! Nein, die Trainer bleiben besser draussen!”

Wie bitte? Der Trainer bestätigt. “Es gab eine Phase, wo sich die Jungs in der Dusche angebiselt haben, da war ich nahe dran, in die Dusche zu gehen. Doch dann hat mir ein Kollege gesagt, gerade das sei besonders heikel, da einzugreifen. Also hab ich den Eltern einen Brief geschrieben, aber ich bin nicht in die Kabinen gegangen.” Ich war sprachlos.

Vorbild ist man(n) immer

Es wundert mich nicht, dass es unter solchen Rahmenbedingungen des Generalverdachts schwierig ist, Juniorentrainer zu finden.
Und: Junioren-Trainer können nicht nicht Vorbild sein. Sie sind es durch ihre Funktion immer.
Trainer werden nun also dazu gebracht, keine Verantwortung zu übernehmen. Sie haben gelernt: Verantwortung kann als Pädophilie angeklagt werden.
Und Buben lernen: Männer übernehmen keine Verantwortung für uns. Verantwortung übernehmen ist nicht männlich.

Verständliches Ziel, falscher Weg

Ja, ich weiss um die guten Absichten, die einen “präventiven” Schutz der Kinder erhoffen.
Aber gibt diese Umsetzung die geforderten “neuen Männer”? Ich sage: nein. Es ist ein Schritt zurück in eine Gesellschaft, in der sich Männer völlig aus der Erziehung heraus nehmen. In eine kranke vaterlose Wolfs-Gesellschaft, die im Schafspelz des “Kinderschutzes” daher kommt.

84% der Übergriffe geschehen im familiären Rahmen. Also bald auch keine Väter am Wickeltisch mehr? Und 20% von den (physischen) Vergehen stammen von Frauen, das sind mehr als die Gesamtzahl an Übergriffen ausserhalb der Familie. Das hehre Ziel hat zu einer schiefen Optik geführt. Und die Folgen bewirken das Gegenteil von dem, was bezweckt werden will.

Ich kann die Trainer und Lehrer und Väter verstehen, die sich in einer solchen Atmosphäre von der Verantwortung für die Kinder gerade in heiklen Situationen zurückziehen. Und ich ärgere mich darüber, dass ausgerechnet eine pervertierte „Emanzipation“ den Vorwand dazu liefert.

Buben brauchen Vorbilder

Darum: Ein Königreich für Männer in Vereinen, die sich trotz General-Verdacht für die Jungen einsetzen, Nähe und Beziehung wagen. Vorbild sind, indem sie sich um sie kümmern. Buben brauchen das. Kinder brauchen das. Die Gesellschaft braucht das.