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Die beschti Waffe gege d Macht!

In den sozialen Medien ist gerade wieder die Masseneinwanderung der fasnächtlichen Profilbilder in Gang – die Fasnacht hat Basel bereits im Griff. Die Vorfasnacht ist ein boomender Markt, die Kinderfasnacht wächst wie ein Weggliteig im warmen Ofen, und keine Kirche der Region platzt so aus den Nähten wie die Elisabethenkirche beim Fasnachtsgottesdienst – OMG!

In diesen Tages des #2017make1933great-again begegnet man jedoch auch der Frage: bissiger Fasnachts-Witz, politische Sujets, böse Schnitzelbänke, macht das überhaupt noch Sinn? Das Pfyfferli im Fauteuil-Theater zum Beispiel scheint zu empfehlen, die Fasnacht einfach als grosslustige Sause zu feiern, als Alltagsflucht wie in Luzern, quasi als vorgezogene Streetparade. Damit wäre die Fasnacht wieder nahe bei den heidnischen Wurzeln des reinen Frühlingsfestes. Oder anders gesagt: «Ein bissiges Sujet ist Basler Tradition? Viel zu anstrengend. Frau, no-n-e Wysse, und nit uf my glitzerigs Goschdym tropfe!»

Der bissige Fasnachts-Witz, dieser inhaltliche «Unique Selling Point» der Basler Fasnacht, er stammt ursprünglich aus der Carnevale-Tradition der Kirche (OMG zum zweiten). Kurz vor der Fastenzeit wurde die politische Welt auf den Kopf gestellt, die «Kleinen» sollten die «Grossen» ungestraft verhöhnen. Der selbst ernannte «moderne» Fasnächtler (und – äxgyysi – die «aufgeklärte» Fasnächtlerin!) scheint heute eher zu resignieren: Was bringts, Trump lässt sich von einem Schnitzelbank nicht stoppen, ein ISIS-Kämpfer kommt dank einem Ladärnevärs kaum zur Raison.

Die ökonomischste aller Fragen ist hier aber: «Was bringts MIR?» – Die Fasnacht hat nämlich nicht Trump zum Ziel, sondern uns. Wenn wir in beissenden Fasnachts-Spott packen, was uns unter den Nägeln brennt, dann verändert das uns selber: Wir überlegen uns, was wir eigentlich sagen wollen, wie wir es in Reime «brünzeln», auf Laternen malen und in Larven umsetzen. Was uns das Jahr über bedroht, das verliert damit sofort ein wenig an Macht, wenn wir uns in Bildern und Versen darüber lustig machen. Je bissiger, je grotesker, je witziger, desto besser. Fasnachts-Lachen gibt uns Distanz und damit innere Freiheit zurück.

Wenn dann die Laternen abgespannt, die Larven versorgt und die Schnitzelbänke verklungen sind (wenn also die Fastenzeit begonnen hat: OMG zum Dritten!), wirkt diese zurückgewonnene innere Freiheit auf andere Art im Alltag weiter. Der Fasnachts-Humor im «Hinterstübli» ist dann gerade bei emotionalen Themen ein Schlüssel für eine offene Diskussionskultur und für eine sachorientierte Lösung. Die Basler Fasnacht ist deshalb ein Taktgeber dafür, dass Basel anders tickt als die Restschweiz.

Die wahren Totengräber der Fasnacht sind also nicht renitente Politiker in der Ferne, sondern Lärmklagen und Sujetzensur an der Fasnacht selbst. Das ist das, was der legendäre Otti Rehorek meinte, als er 1991 in der ebenso legendären Drummeli-Nummer als Fasnachtsnarr sagte: «Die beschti Waffe gege d Macht, isch wenn me offe drüber lacht.»

Danke, liebe Reformierte!

Die Reformation hat die Welt verändert, keine Frage. Natürlich, man kann da tausenderlei in Grund und Boden kritisieren. Ich möchte heute aber nur Positives sehen und als einfacher Katholik danken für ein paar schöne Dinge, welche die Reformation bewirkt hat.

– Dank der Reformation haben wir im christlichen Abendland gelernt, dass es mehr als eine grundsätzliche christliche Wahrheit geben kann. Schon immer war die Kirche eine Wiese mit vielen bunten Blumen, und mit der Reformation wurde dieses “duale System” bei uns zum ersten Mal quasi zur Struktur erhoben. Danke!

– Als Kirchen haben wir (zugegeben: begleitet von Mühe und Streit) gelernt, voneinander zu lernen. Für die katholische Kirche war die Reformation ein veritabler Entwicklungstreiber. In vielen Bereichen wurden diese Herausforderungen angenommen, mal früher, mal später. Danke!

– Die Wichtigkeit der Schrift, dieser Kernpunkt von Martin Luthers Lehre, hat den Zugang zum Lesen für alle Menschen geöffnet, was wiederum das Zeitalter der Aufklärung erst möglich machte. Danke!

– Die Verwendung der deutschen Sprache im Gottesdienst war ein Anstoss, der später in der katholischen Liturgie-Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils nachvollzogen wurde. Danke!

– Die Reformation hat den Menschen direkt vor Gott gestellt. Priester und die Institution Kirche entwickelten sich von einer unverzichtbaren Brücke zu Gott, zu “Wegweisern” für meinen eigenen Glauben. “Viele Wege führen nach Rom” ist ein wunderbares Sprichwort, das (ausgerechnet!) auf dem reformierten Gedankengut beruht. Danke!

– Die persönliche Verantwortung der einzelnen Gläubigen und das katholische soziale Gewissen prägen unser Wertesystem: in gemischt-konfessionellen Ländern wie Deutschland, der Schweiz oder den Niederlanden engagieren sich am meisten Menschen zum Beispiel für Menschenrechtsfragen. Danke!

– Der Mensch, der als Einzelner vor Gott im Fokus des Glaubens steht: Das ist der Same zum heute unverzichtbaren und unveräusserlichen Wert des Individuums. Danke!

– Das “allgemeine Priestertum” hat Frauen und Männer theologisch gleichwertig gemacht. Bis zur ersten Pfarrerin hat es zwar im deutschsprachigen Raum dann noch ganze 450 Jahre gedauert, doch war es auch ein Anstoss für die feministische Theologie, welche in katholischen Universitäten geboren wurde. Danke!

– Manchmal wächst eine Frucht auch mehrfach “um die Ecke”: Damit die Basler Fasnacht in der heutigen Form existiert, brauchte es erst ein Fasnachtsverbot durch die reformierten Autoritäten. Erst so konnte sich der unbeugsame Basler Fasnachtsgeist neue Wege bahnen – den Morgestraich und die “Sujet-Fasnacht” haben wir letztlich dem reformierten Fasnachtsverbot zu verdanken. Danke!

Wir sind also reformierter, als wir denken. Auch wir Katholiken. Auch ich. Und damit komme ich zu meinem letzten Dank: Nie merke ich stärker, wie katholisch ich bin, als wenn ich mit reformierten Kollegen zusammen arbeite. Denn wir alle sind auch katholischer, als wir denken – OMG!