
Freitag 19.9. Von Mamaia ins Donau-Delta. Wir sind auch am Abend wieder an einem Ufer – und doch könnte es unterschiedlicher nicht sein.
In der Nacht schlafe ich dank Ohrpropfen gut, während Sabine und Tobit sichtlich gezeichnet von den nächtlichen Disco-Beats an den Zmorgetisch sitzen. Wir müssen Geld haben, und ich bereite mich aufs Schlimmste vor. Mit Geld wechseln in Rumänien habe ich Erfahrungen gemacht, die alleine schon Megabytes von Blog-Einträgen füllen könnten. Die Frau an der Récéption kann uns nur höchst rudimentär angeben, wo in Constanta es Banken hat, also zurück ins Zimmer, sich ab dem neuen Google-Maps ärgern, und dann eine handvoll Screenshots speichern, wo es Banken und Bancomaten hat.
Eine neue Geld-Erfahrung
Wir fahren los, und landen wieder mal unerwartet in der Gegenwart: Der erste Bancomat akzeptiert unsere Postomat-Karte anstandslos und spuckt die gewünschte Anzahl Lei aus – Hurra! Aus lauter Freude in der Tankstelle noch zwei Rumänien-CDs gekauft, und dann kann es uns nicht einmal richtig ärgern, dass der Auto-CD-Player nicht funktioniert. So viel Glück auf einmal ist dann doch zuviel verlangt…
Aus Mamaia verabschiedet uns ein cooler Werbespruch: „Das längste und bequemste Sofa ist hier aus Sand!“ – und wir verabschieden uns mit einem Lächeln.
Die Fahrt an die Donau-Delta-Hafenstadt Tulcea führt uns über recht gute Strassen durch einige Windparks, die hier absolut Sinn machen. Zwischen zwei Dörfchen liegen gerne ein Dutzend Kilometer. Während den drei Stunden hören wir drei mal „Perfeeeee-ect“ und zweimal Daft Punk aus dem Radio, und schlussendlich kommen wir nach Tulcea in Murighiol an.
Wiedersehen als wäre es gestern gewesen

Hier haben wir uns mit Ionel Ipate, dem Heimleiter von Verseni, verabredet. Er wird mit uns die nächsten Tage verbringen. Leider ist nicht seine Frau Maria dabei, weil sie lange Autoreisen nicht erträgt (Ionel hat eine sechsstündige Autofahrt hinter sich). Stattdessen hat ihn Nelu begleitet, der seit fünf Jahren quasi „Chefbauführer“ des Kinderheims ist, und nun den zwar kultigen aber nicht sehr fähigen Verwalter „Domn Bujor“ als Nachfolger ablöst – eine gute Entscheidung.

Nelu ist ein echter „Shmeker“ und hat vor drei Jahren den weiblichen Teil der Rumäniengruppe in Angst und Schrecken versetzt, als er glaubhaft machte, dass er eine Frau suche, und ob jemand aus der Gruppe noch einen Mann suche, er würde sich jedenfalls zur Verfügung stellen. Dass das ein Scherz war, um eine leicht steife Vorstellungsrunde aufzulockern, haben nur die Rumänen gewusst, der Effekt aber war durchschlagend 😀 !
Die Begrüssung ist so, als hätten wir die beiden zum letzten mal vor einer Woche oder so gesehen, weil Ionel noch total in der Organisations-Energie drin ist. Ein Freund von ihm hat uns hier die Unterkunft organisiert, aber es klappte nicht so wie gewollt, wir werden jetzt anderswo wohnen, Ionel hat das halbe Kaufland leergekauft, um genug Esswaren dabei zu haben, und er hasst es, wenn er als Verantwortlicher nicht alles im Griff hat…

Also gibt’s nur ein oberflächliches „Hallo, wir begrüssen uns dann später richtig, kommt, fahrt mir nach.“ – Wir kennen ihn und wissen, dass das Ausdruck seiner Freundschaft und seiner Gastfreundschaft ist. Also folgen wir ihm in ein kleines Privat-Parking und steigen nicht in ein kleines Motorboot ein, sondern in zwei, weil die Esswaren schlicht zu viel Platz einnehmen.
Traumhafte Wasserwege

Und dann fahren wir los. Vom ersten Moment bin ich absolut hin und weg von diesen unterschiedlichsten Wasserstrassen, dieser Atmospähre, die das Donaudelta beseelt.
Wir passieren eine Tankstelle für Boote, und dann fahren wir an einer Villa vorbei. „Das ist das ehemalige Landhaus von Ceaucescu“, und der plötzliche Wechsel im Ton von Ionels Worten irritiert mich. Auch 25 Jahre nach dem Ende der Diktatur ist die Mischung aus Respekt, Angst und Abscheu noch in der Stimme hörbar.

Nach 20 Minuten kommen legen wir an – und bevor ich genauer sehe, es hier ausschaut, fahre ich mit einem der Begleiter nochmals zurück, weil mein Portemonnaie undsoweiter im Auto blieb. Aber der Ärger ist im Nu verflogen, weil ich es geniesse, nochmals 40 Minuten durch die Delta-Kanäle zu fahren…
Bei der zweiten Ankunft dann staune ich: Wir bewohnen eine Appartement-Anlage mit Pool, die Kinder, Ionel/Nelu und Sabine und ich je ein zwei-Zimmer-Appartement in einem schönen Holzhaus, sehr luxuriös für rumänische Verhältnisse.
Einzig die Musik aus der Bar-Anlage stört ein wenig das Idyll, aber das lassen wir uns nicht vermiesen, verbringen den Rest des Tages mit Fischen und einem feinen mitgebrachten znacht aus Marias Küche, und fühlen uns mitten im rumänischen Paradies.