Thierry: Herr Moosbrugger, wieso haben sie sich für diese Stelle eigentlich beworben?
Herr Moosbrugger: Lieber Thierry, ich gestehe, ich bin erst nicht selber auf die Idee gekommen. Aber mir wurde dann klar, dass mir Pionier-Arbeit liegt. Ich baue gerne etwas auf, setze es um und bleibe dran.
Und schon in meiner Arbeit als Jugendseelsorger war mir der Öffentlichkeitsaspekt immer wichtig.
Vermissen Sie nach 15 Jahren denn Ihren alten Job nicht?
Nein, ehrlich gesagt nicht. Und zwar deshalb, weil die neue Stelle sehr anspruchsvoll ist und mich voll fordert. Erst habe ich gedacht, mir würden die Jugendlichen mit ihrer „Vorwärts“-Energie fehlen, aber bis jetzt habe ich diese Energie auch in meinem neuen Umfeld gespürt. …Was mich natürlich freut.
Was ist denn „Öffentlichkeitsarbeit“ für Sie?
Ich arbeite für eine „Kirche im Dorf“, bzw mitten auf dem Marktplatz – also dort, wo die Menschen leben, mit ihren Gedanken und Bedürfnissen. Ich möchte dazu beitragen, dass die Kirche dort wieder als interessanter Gesprächspartner wahr genommen wird.
Wie meinen Sie das?
Die Kirche hat durchaus mehr zu bieten als vorhersehbare Antworten, aber das bedeutet halt theologisch-inhaltliche Arbeit, differenzieren, und vor allem nicht wegschauen, wenn es unbequem wird.
Können Sie mir ein Beispiel nennen?
Die Kirche beansprucht, eine Spezialistin in Sachen Liebe und Beziehung zu sein. Dann würde ich mir wünschen, dass sie Themen wie Erotik und Homosexualität nicht tabuisiert, sondern sich auf einen offenen Diskurs einlässt. Da braucht es theologisches Mit- und Vorausdenken auf hohem Niveau, zwar so, dass es die Menschen verstehen.
Das war jetzt eine sehr freche Antwort.
Geben Sie mir zu ein paar Stichworten noch mehr freche Antworten?
Wieso freche?
Na, weil brave Antworten hört man genug…
Hm, na gut. Dann leg mal los.
Stichwort Ökumene?
Ich bin ein “sehr-gerne-Katholik” und drum halte ich mich streng an George Clooney: ÖKUMENE. WHAT ELSE?
Stichwort Gender?
Bist Du sicher, dass Du freche Antworten willst?
Ja.
Also, auf eigene Gefahr. Schau dir mal die Gender-Verteilung im Kirchen-Alltag an – wir sind doch fast überall eine Frauenkirche, unser Reli-Unterricht, unsere Angebote, unsere Gottesdienste, alles ist auf klassisch weibliche Bedürfnisse und Eigenschaften getrimmt. Männer-Energie findet dort praktisch gar nicht statt, dafür dann aber in den männerlastigen Entscheidungsgremien.
Deshalb braucht es mehr Männer-Energie im Kirchen-Alltag, dann fänden die Männer auch andere Orte in der Kirche, wo sie sich wohl fühlen, und es käme zu einem Ausgleich.
Das war jetzt aber sehr rumgefrecht…
Das war die Aufgabe, nicht?
Wenn Sie Papst wären…
Och nee…
Doch, doch.
(seufzt) – also gut, ist ja eigentlich eine einfacheFrage. Ich würde ein Konzil einberufen, mit den weltweit führenden TheologInnen. Dabei feministische Theologinnen, BefreiungstheologInnen, je mindestens ein Dutzend, und natürlich Eugen Drewermann und Hans Küng, und wie früher bei Papstwahlen die sixtinische Kapelle abschliessen lassen, mindestens bis die Fragen zu Zwangs-Zölibat und Frauenpriestertum theologisch verantwortbar und menschennah gelöst sind.
Das könnte lange dauern…
In solchen Situationen hat die Kurie früher auch schon mal das Dach vom Petersdom abtragen lassen, damit der Heilige Geist besser reinkann… zum Beispiel 1675.
Ich glaube, ich bereue es gerade, nach frechen Antworten gefragt zu haben…
Haben Sie kirchliche Säulenheilige?
Ja. Der Vikar meiner Jugend: Er hat mir gezeigt, dass katholisch auch kritisch heisst, und dass Seelsorger auf dem Fussballplatz ebenso viel für das Reich Gottes bewirken können wie am Altar.
Eugen Drewermann: Wie er die Tiefe der biblischen Wahrheit auslotet, ist einmalig.
Roger Schutz: In Taizé sass ich ihm bei einer heissen Schokolade einmal gegenüber, und seinen Blick werde ich nie mehr vergessen.
Die ehemalige Regionaldekanin und PK-Präsidentin. Sie hat mich in ihrem Engagement über Pfarrei-Grenzen hinaus geprägt.
Und der rumänische Heimleiter Ionel Ipate. Was er mit seinen Möglichkeiten aus dem Kinderheim in Verseni macht hat, da verneige ich mich tief.
Ein Jokersatz zum Schluss?
Es gibt eine Zeit zum Reden, und eine Zeit zum….