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Ionels Geschichte.

Donnerstag, 25. Juli. Auf dem Weg von der Ebene in die Karpaten. Ionel ist das Herz vom Kinderheim Verseni. Eine Hommage.

Freude über ein Geschenk der Rumäniengruppe: Ionel liebt Pflanzen (2006)
Freude über ein Geschenk der Rumäniengruppe: Ionel liebt Pflanzen (2006)

Nachdem 1998 das alte Kinderheim in Verseni abgebrannt war, ging Ionel von Haus zu Haus in Verseni, um ein paar Lei zu erbetteln, damit das Kinderheim gerettet werden kann. Die Chancen standen schlecht. Der alte Heimdirektor war korrupt wie jeder normale Heimdirektor, das Kinderheim war heruntergekommen, die meisten Angestellten waren Verwandte des Direktors, es konnte nie geklärt werden, ob der Brand wirklich ein Unfall oder Brandstiftung war, und die Regierung in Iasi war geneigt, den Brand zum Anlass zu nehmen, das Kinderheim zu schliessen.

Vom Klinkenputzer zum Heimdirektor

Ionel arbeitete damals als normaler Erzieher und motivierte seine Kollegen zu dieser Rettungsaktion. Das Kinderheim war einerseits der grösste Arbeitgeber im Dorf, die  Dorfbevölkerung hatte jedoch ein gespaltenes Verhältnis dazu, und die Heimkinder waren Freiwild, durften folgenlos geschlagen und betatscht werden.

Selten nimmt Ipate an einem Programm teil. Hier eine Ausnahme 2007
Selten nimmt Ipate an einem Programm teil. Hier eine Ausnahme 2007

Auf jeden Fall, die Rettungsaktion hatte Erfolg, und Ionel wurde 1999 zum Heimdirektor befördert. Er selber hatte an der Universität Pädagogik studiert, und mit seinem Studienfreund Costice Tudorache als Vizedirektor begann er mit den Reformen. Zuerst begann er, sukzessive alle ErzieherInnen zu ersetzen, welche offenbar kein Interesse an den Kindern hatten.

Bis heute ist nun Ionel Ipate das Herz und Costice „Titi“ die Seele des Kinderheims.

Baumeister von Verseni, aber selber oft im Schatten.
Baumeister von Verseni, aber selber oft im Schatten.

Der Traum des Bauernhofes

Von Beginn weg hatte Ipate einen Traum: Einen Bauernhof in das Kinderheim zu integrieren. Dies sollte den Kindern die Möglichkeit geben, sich an den Arbeiten zu beteiligen und etwas zu lernen, das es ihnen später einfacher machen sollte, eine Arbeit zu finden. Denn 80% der Heimkinder auch aus Verseni enden irgendwann auf der Strasse oder als TaglöhnerIn.

Immer wieder mit eigenem Geld schaffte er Kühe, Schweine, Hühner an, baute einen Stall und legte Felder für Gemüse an sowie ein Gewächshaus. Das Kinderheim hatte so die Garantie, qualitativ hochwertige Nahrungsmittel zu haben, und verschaffte sich so eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit.

Innert Kürze erlebte er, was es bedeutet, sich für die Kinder einzusetzen. Lob erhielt er von uns Schweizern für sein Engagement, und von der Regierung in Bukarest, die mit EU-Vertretern das Heim besuchten und es zum Vorbild für die anderen Kinderheime der Region erklärten.

Seine liebste Rolle: ein Projekt abschliessen. Hier das Setzen einer Freundschafts-Birke (2007)
Seine liebste Rolle: ein Projekt abschliessen. Hier das Setzen einer Freundschafts-Birke (2007)

“Das gibt doch nur Arbeit”

Die Kinder profitierten natürlich sichtbar von den besseren Bedingungen, so dass das regionale Soziaamt schwierige Fälle gerne nach Verseni verfrachteten. Ansonsten aber gabs von den anderen Heimdirektoren Unverständnis und Neid: „Wieso machst du das alles, das bringt doch nur zusätzliche Arbeit!“ Neid gab es auch von der regionalen Regierung, die Ionel vor allem mit endlosen Schikanen für sein Engagement „belohnte“.

All dies stoppte Ipate jedoch nicht. Die Hindernisse schweisste das Team der Angestellten zusammen. Und Ipate steckte weiter jeden Lei in neue Projekte, neue Gebäude, viel dank dem übrig bleibenden Geld der Rumäniengruppe. Ipate betonte immer wieder, wie wichtig für ihn die moralische Unterstützung der Schweizer sei.

Ipate ist sich selber nie zu schade, selber Hand an zu legen. Hier beim Mähen des Sportplatzes.
Ipate ist sich selber nie zu schade, selber Hand an zu legen. Hier beim Mähen des Sportplatzes.

Bescheidene Hütte

Schon bald war es so, dass die Kinder im Kinderheim deutlich komfortabler wohnten als er selber. Das Rasenviereck bei Ipate zuhause zeugt wie ein Mahnmal daran. Sechs mal vier Meter, so haben Ionel und Maria mit ihren Söhnen Ovidiu und Catalin 20 Jahre lang gelebt. Wasser aus dem Brunnen, Plumpsklo, zwei Zimmer. Die „Küche“ drei Quadratmeter, die Söhne schliefen Zeit ihres Lebens zusammen in einem Vorraum von ebenfalls drei Quadratmetern.

Neues Haus 2005

Die Bescheidenheit von Maria und Ionel und sein pausenloses Engagement für die Heimkinder: manchmal war der Widerspruch nur schwer auszuhalten und grenzte wahlweise an spartanischem Stolz und heiligem Geist. Auch deshalb war es für uns wichtig, ihn einmal in die Schweiz einzuladen und ihm etwas zu ermöglichen, was den meisten Rumänen verwehrt bleibt.

Dank geliehenem Geld aus der Schweiz konnte er 2005 ein neues schönes Haus bauen und dann 2009 das alte abreissen, was ihm Alle nun wirklich von Herzen gönnten.

Mit den Schweizern für jeden Scherz zu haben (2004).
Mit den Schweizern für jeden Scherz zu haben (2004).

“Richtig, dies zu tun”

Das Amt des Bürgermeisters von Miroslovesti lehnte er ab, weil er dazu in die sozialdemokratische Partei hätte eintreten müssen, und als ich ihn einmal fragte, wieso er sich denn so für die Kinder einsetzen würde, konnte er mir keine richtige Antwort geben. „Ich habe halt das Gefühl, dass es richtig ist, das zu tun. Irgendwie hab ich das von meinen Eltern mit bekommen, aber ich weiss auch nicht genau, wieso.“ – Wenn jemand am Strassenrand Autostopp macht, antwortet er immer mit einer Geste, dass er entweder nicht in die gewünschte Richtung fahre oder das Auto schon voll habe. „Ich möchte niemandem das Gefühl geben, dass er abgewiesen wird.“

Sein Humor und seine Intelligenz half ihm immer wieder, schwierige Situationen zu meistern.

Striktes Regime

Mit den Kindern selber wirkt er oft sehr hart und distanziert. Es gab Zeiten, als sich Kinder bei uns über ihn beschwerten, einem habe er sogar einmal den Arm gebrochen. Ich halte das durchaus für möglich, denn die Kinder kommen allesamt mit schwersten Geschichten im Gepäck ins Kinderheim, und mit drei ErzieherInnen auf 36 Kinder sind pädagogische Ansprüche, wie wir sie haben, blanke Illusion.

Immer etwas am tun (2009)
Immer etwas am tun (2009)

Sein striktes Regime mag den Kindern hart erscheinen, ohne ihn würde das Kinderheim Verseni nicht mehr existieren. Das selbe sagt er immer wieder von uns. Es hat eine Weile gedauert, bis wir begriffen haben, wie er das meint. Heute wissen wir, dass es auch hier erst in zweiter Linie um die materielle Unterstützung geht, sondern um die Wertschätzung, die wir ihm und seinem Engagement gegenüber zeigen, unsere Begeisterung für Verseni und die Kinder, und für die Nachhaltigkeit, dass wir seit 1998 immer wieder hier her kommen.

Schlüssel zum Erfolg des Rumänienprojekts

Auch für das Rumänienprojekt ist Ionel ein Schlüssel zum Erfolg. Er hat uns von Anfang unterstützt, wo er konnte, hat uns vertraut und war ein zuverlässiger Partner – einzigartig für einen Rumänen. Und sein uns unser Engagement hat sich so immer wieder gegenseitig unterstützt und verstärkt.

Ionel Ipate ist ein Macher. Auf der Schattenseite zeigt sich dies in seiner Rastlosigkeit – wenn nicht ständig etwas läuft, bekommt Ipate Stress. Auch das pausenlose Engagement zeigt Wirkung auf seine Gesundheit, aber sobald er nichts zu tun hat, wird er krank.

Ipate kann schlecht delegieren, und sein soziales Gewissen bringt ihn manchmal auch dazu, unfähige Mitarbeiter über Jahre hinaus mitzutragen und deren Fehler immer wieder aus zu bügeln.

Wissen, was Hunger heisst

Als Kind hat er unter der Diktatur Ceaucesus kennen gelernt, was es heisst, nichts zu essen zu haben und hungern zu müssen. Deshalb ist das Essen für ihn ein permanentes Thema, und ein leer gegessener Tisch bedeutet für ihn nicht ein gutes Mahl, sondern löst die Angst aus, jemand könnte zuwenig genährt sein. Das hat zur Folge, dass wohl kein Heimkind in Rumänien so gesund und gut ernährt wird wie in Verseni – als Schweizer mit Höflichkeitsgefühlen muss man sich wehren dagegen, sich nicht permanent zu überessen in seiner Nähe.

Schon 2004 war klar: Ionel Ipate ist ein...
Schon 2004 war klar: Ionel Ipate ist ein…

Im Schatten eines Übermenschen

Es ist sicher nicht einfach, als Familienmitglied neben einem solchen Übermenschen seinen Platz zu finden. Sowohl Maria als auch die beiden Kinder Catalin und Ovidiu mussten zum Teil verschlungene Wege gehen, um nicht im Schatten des Übervaters schlicht zu verschwinden. Wege, die für Ipate oft auch schmerzhaft waren, weil er einfach ist, wie er ist.

Vorbild für das Land

Doch kein Mensch hat keine Schattenseiten, und für uns alle ist klar: Ionel hat aus einem von der Schliessung bedrohten Kinderheim ein Vorzeigeheim für das ganze Land gemacht, und wir sind stolz darauf, unseren Beitrag daran liefern zu können und mit ionel einen Menschen an unserer Seite zu wissen, der für die Zukunft des Landes ein Vorbild ist. Gata.