Ostern ohne Planungssicherheit
Im Januar hat mir eine Nachbarin geholfen, das Apfelbäumchen vor dem Haus zu schneiden, damit es gut und gesund wächst. Die abgeschnittenen Zweige legte ich neben dem Bäumchen auf die Bodenplatten, ich würde sie dann gleich wegräumen. Also…, gut, später. Morgen. Übermorgen. Doch, auch übermorgen liess ich die Zweige am Boden liegen. Es wurde nächste Woche. Es wurde Februar … es wurde Fasnacht … es wurde Fastenzeit … die Zweige lagen immer noch achtlos neben dem Bäumchen auf dem Boden.
Als ich am Karfreitag nach der Kreuzfeier von der Offenen Kirche Elisabethen nach Hause kam, fiel mein Blick auf die Zweige, und ich beschloss, mit den Zweigen mein traditionelles persönliches Karfreitagskreuz zu machen, wie jedes Jahr, Symbol für das Leid, das ich dann ebenfalls symbolisch im Osterfeuer am Sonntagmorgen verbrennen würde, wie immer.
Ich sammelte die Zweige also zusammen, legte sie auf den Esstisch, holte Schnur und Schere aus der Küche, und setzte mich hin.
Und was sah ich beim Zusammenbinden? Die Zweiglein haben Knospen gebildet. Trotz Frostnächten, abgeschnitten vom Baum, ohne Verbindung zum Boden haben die Zweige immer noch so viel Kraft in sich, dass sie neues Leben entwickeln. Was ist denn das für ein Wunder!
Also nein. Dieses Kreuz möchte ich nicht ins Feuer geben. Ich holte eine Vase hervor, füllte sie mit Wasser, irgendwo fand ich noch ein Beutelchen mit Blumennährstoffpulver. Und so stellte ich das gegen jede Erwartung blühende Kreuz aus Zweigen hinein.
Ostern schon am Karfreitag, quasi.
Und dann kommt der Ostermorgen. Die warmen Kleider liegen bereit, damit ich die Osterfeier um 05:15 geniessen kann. Der Wecker auf 04:25 Uhr programmiert, damit ich schlaftrunken und mit genügend Zeit zur Kirche in die Innenstadt fahren kann. Ich schlafe vorfreudig ein, Ostern ist mein Lieblingsfest.
Als ich erwache, ist dies jedoch nicht durch die Weckerklänge, ich fühle mich merkwürdig frisch, durch die Fensterläden dringt Tageslicht. Ein erschrockener Blick auf die Uhr, und die zeigt 06:25 – SCHOCKSCHWERENOT! und gleich noch ein nicht druckbarer Fluch aus Käpt’n Haddocks cholerischem Wortschatz.
Und noch einer.
Ich setze mich wütend und frustriert an den österlich gedeckten Tisch im Esszimmer und hocke eine Weile mit einer inneren Leere einfach da. Dann, einfach um irgendetwas zu tun, der Check: Ich hatte den Wecker zwar auf die richtige Zeit programmiert, aber auf Samstag statt Sonntag. GRRRRRR.
Karfreitag am Ostermorgen, quasi.
Mein Blick fällt auf das Kreuz aus Apfelbaumzweigen.
Ostern am Karfreitag, Karfreitag am Ostersonntagmorgen – und ich muss lachen über Gottes verdrechselten Humor, den ich wieder einmal erleben muss/darf.
Mir kommt ein Satz in den Sinn, Bischof Felix Gmür hatte ihn in der Corona-Zeit gesagt: “Planungssicherheit ist kein Bestandteil unseres Glaubens.” – Das Ego in mir entgegnet: “Ja, Recht hast du, aber schweigen solltest Du.”
Denn natürlich hatte ich selber – Anderen gegenüber – den Satz auch schon gesagt. Nun wird er also ärgerlicherweise zu meiner eigenen Osterherausforderung.
Später, nach einer weiteren Stunde Schlaf, Bachs Osteroratorium erfüllt den Raum, meine Partnerin Anne hat mittlerweile vom Ostergottesdienst erzählt, den ich verschlafen hatte, und ich schreibe diese meine Ostergeschichte auf, zwischen Schmunzeln und Kopfschütteln.
Bei den letzten verbliebenen Ärgerschwaden gelingt es mir, zwischen den krummen Zeilen die gerade Osterbotschaft zu lesen. Ich schaue zum Osterzweigkreuz meines Apfelbaums. Ja, das ist Ostern.
Ostern – “Something Will Happen”
Was haben “Game Of Thrones” und der Brand in Notre Dame mit Ostern zu tun? Herausfordernde Frage, die sich da in meinem Hirn eingenistet hat. Ich hab es gewagt, der Frage nicht aus dem Weg zu gehen… Hier das Resultat in österlicher Mundart 🙂
Vor e paar Wuche ha-n-i e Text vom Willi Näf gläse, „Der bockige Messias“, d Zyttig heig dä Text nit welle, und i ha dänkt, super, das isch quasi my Oschtertext. Aber denn hän sich plötzlig zwäi Froge in mym Kopf ygnischtet.
Am Mäntig het die letschti Staffle vo Game Of Thrones agfange, die epischi Färnseh-Serie um Macht und Liebi, Läbe und Tod, und au bi vor em Färnseh gsässe und ha welle wüsse, wie die Gschicht uf ihri Zylgrade ybiegt.
Biblische und andere Geschichten
Ich bi dr Überzügig, dass Gschichte, wo so vyli Mensche berüere, immer e Botschaft in sich trage, wo s um e Kärn vom menschlige Läbe goht, egal, ob bim Noah und dr Sintfluet, bim Harry Potter und em Lord Voldemort, bim Moses und bim Salomo, bi Star Wars oder ebe bim Jesus synere Läbensgschicht.
Und s goht drby äigentlig nie drum, ob em Harry syni Zaubersprüch wirklig funktioniere, sondern was ich für mys äigene Läbe ka us dere Gschicht mitnäh. Also hani mi plötzlig afo froge: Het Game Of Thrones äigentlig irgendöppis mit Oschtere z tue?
Höllische Flammen wie aus Drachenmund
Und wortwörtlig glychzyttig, wo-n-i uf dr Start vo Game Of Thrones gwartet ha, hän mi d Bilder vo dr brennende Notre Dame überwältigt – und die monumentale Flamme hän mi tiefer berüert als jedes Füür vo de bäide Drache vo dr Danaerys in Game of Thrones. Und plötzlig ha-n-i mi au do afo froge: Was bedütet jetzt Oschtere im Zämmehang vo däre Hölle-Katastrophe?
Für mi isch klar gsi: Au wenns nit so äifach isch, i muess dene Froge nochegoh.
In Game Of Thrones gohts zue und här wie bim Moses und em Pharao, do wird gmordet und gschlegeret, gliebt und ghasst. Allerdings isch in dr Färnseh-Serie im Kampf gege s absolute Böse no offe, ob „D Armee vo de Tote“ ka besigt wärde, also ob unseri Heldinne und Helde wärde Oschtere erläbe.
Vom Prinzesschen zur Leaderin
Als erschts fallt mr uf, wie d Fraue zu Leaderinne wärde. Am Afang hän nume Männer über Armee, Burge und Länder regiert. Jetzt in dr letschte Staffle sin d Leaderfigure fascht nume Fraue. Und dene Fraue het me allesamt könne zueluege, wie sie sich entwickle. S verwöhnte Prinzässli Sansa, d Arya wo lieber e Bueb gsi wär, d Daenerys mit ihrne klassische Blondine-Attribut, si alli hän durch Lyde, Schmärz und Tiefschläg e Wäg zu ächte Leaderinne gmacht.
Und wenn me die ufzellt, wo ganz am Schluss uf em Thron könnte sitze, denn het me ebesovyli Fraue wie Männer uf dr Lischte. Sogar die beide wichtigschte Unsympathe vo dr Serie sin je e Frau und Ma, d Cersei im Süde und dr Nightking im Norde.
Vom Rand zur Mitte
Au alli Männer-Hauptfigure sin am Afang Ussesytter gsi und hän sich durch langi, schmärzrychi Umwäg zu Leader entwicklet:
Dr missbildeti Zwärg Tyrion zum kluge Beroter vo dr Königin, dr lahmi Brandon zum grosse Prophet, dr uneheligi Jon Snow zum authentische König, und dr fetti Samwell zum tatkräftige Glehrte.
Wie die grosse Fraue het jede vo ihne dur d Höll vom Karfryttig und durch d Hoffnigslosigkäit vom Karsamschtig miesse duregoh, zum zu synere lebändige Bestimmig z finde.
Die eigenen Abgründe kennen
Drittens: alli Heldinne und Helde in Game Of Thrones sin käini Strahlemänner und -fraue. Si alli kenne d Abgründ vo dr äigene Seel, kenne Gfühl vo Nyd oder Hass, wie in dr Bible au dr Moses oder dr König David.
Aber genau das macht si zu Vorbilder: Si sin sich ihre Schwächene bewusst, kenne Zwyfel und Angscht – und kapituliere nit drvor, sondern stöhn immer wider uf und wachse am äigene Versage.
Aufstehen zur eigenen Bestimmung
Das alles het für mi tatsächlig mit Oschtere z tue: Fraue wo e glychberächtigti Rolle hän, Ussesytter wo trotzdäm ihri Stärki entwickle, s Wüsse um die äigene dunkle Sytte.
Immer wider ufstoh, und grad so s Schöne und Guete umso meh gniesse.
Und do findi, bin i sehr noch an dr Oschtergschicht vo de todtruurige Jünger und denn däm Erläbnis vo dr Maria Magdalena.
Notre Dame und Ostern?
Ok, und Notre Dame? Oschtere? Das isch jo käi erfundeni Gschicht, das hämmer alli live miterläbt. Das machts no schwiriger, find i.
Oschtere? Dass es käini Tote gäh het? Dass nit alles zämmekracht isch? D Wälle vo wältumspannender Truur, wo eim dr Ydruck git, dass me doch irgendwie zämme ghört? Die überwältigendi Beräitschaft, Gäld für e Widerufbau byztrage?
Villicht. Und klar, jede einzelne vo dene Pünkt könnt me miteme zynische Kommentar aberysse. Zynismus findi aber ebeso billig wie unchrischtlig.
Oder ischs vorderhand äifach mol guet, die kläine guete Sache z gseh?
Oder stimmt villicht sogar s Gegetäil: dass es falsch wär, jetzt scho umsverworge welle Oschtere z beschwöre?
Villicht bruchts 300 mol drei Täg, bis do ka öschterlig öppis neus uferstoh?
Und denn het mr gescht öpper per Whattsapp e Foti vo dr Notre Dame gschiggt und drzue gschribe: “Sie steht noch und strahlt in der Sonne.”
Hm. Isch das villicht e bitz Oschtere?
Het d Notre Dame jetzt fascht no e grösseri Usstrahlig? Trotz, oder grad wägem Wüsse um dä schreckligi Brand?
Oschtere macht jo nit, dass es dr Karfryttig nüm git. Sondern, dass es nit s letschte isch.
Wenn Oschtere also dr Tag isch, wo me früener wortwörtlig uf de Gräber tanzt het, denn isch das whattsapp villicht tatsächlig e Oschterbotschaft:
“Ha, Du Füürtüüfel, d Notre Dame het no die stärkeri Usstrahlig als vorhär!”
“Something Will Happen”
Zum Schluss none Gschicht, wo emol dr Paul McCartney verzellt het.
“Eines Nachts reisten wir in unserem Büsli von einem Konzert zurück nach Liverpool.
Wir kamen in einen fürchterlichen Schneesturm, und unser Büsli schlidderte ab der Strasse einen Hang hinunter.
Uns war nichts passiert,wir waren mutterseelenalleine unterwegs, wer fährt schon mitten in der Nacht durch einen Schneesturm?
Aber wir hatten natürlich keine Chance, das Büsli wieder auf die Strasse zu kriegen.
Einer von uns sagte „Und was passiert jetzt?“, und ein anderer von uns sagte: „Ich hab keinen Schimmer. Something Will Happen – Etwas wird passieren.“
Im Moment, als er das gesagt hatte, wussten wir: dieser Satz wird für uns zu einem Sprichwort werden.
Und Du kannst es glauben oder nicht, kurze Zeit später kam ein Lastwagen, der uns mit nach Liverpool nahm.
Dieses Erlebnis prägte meine Sicht auf die ganze Welt: Das Vertrauen in einen gutwilligen Geist.”
Das Leben ist stärker
Oschtere also heisst:
S blybt nit Nacht. Nie.
Dr Tag kunnt, d Sunne kunnt.
Es wachst neus Läbe us em verrottete Komposcht.
Stark, grüen, bunt, fruchtbar.
Deshalb ist heute der Tag für dieses Osterlied von Rudolf Otto Wiemer
Die Erde ist schön, und es lebt sich leicht im Tal der Hoffnung.
Gebete werden erhört, Gott wohnt nah, gerade hinter dem Zaun.
Die Zeitung weiss keine Zeile vom Turmbau.
Das Messer findet den Mörder nicht, denn er lacht mit Abel.
Das Gras ist unverwelklicher grün als der Lorbeer,
Und im Rot der Rakete nisten die Tauben.
Alle Wege sind offen, im Atlas fehlen die Grenzen,
Das Wort ist verstehbar, wer Ja sagt, meint Ja, und „Ich liebe“ meint „Jetzt“ und „ewig“.
Der Zorn brennt langsam, die Hand des Armen ist nie ohne Brot.
Geschosse werden im Flug gestoppt, der Engel steht abends am Tor.
Er hat ganz normale Namen, und wenn ich sterbe, dann sagt er „steh auf“.
Schöni Oschtere!