Bauzeit am Highway To Heaven
In diesen Tagen zwischen Fasnacht und Ostern geht es wieder vorwärts mit dem „Highway To Heaven“. Viele Menschen verbessern oder erneuern den Belag, pflegen und verschönern den Wegrand, verdeutlichen die Signalisierung und so weiter. Ein paar Beispiele?
Am vergangenen Samstag zeugte der #womensmarch mit Symbolik, Anspruch und Selbstironie vom Generationenwechsel und neuer Kraft. Tags darauf nahm das Initiativkomitee der kirchlichen Gleichstellungsinitiative beider Basel den renommierten „Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche“ entgegen. Sie taten das mit Schnitzelbank und Helgen. Die Göttliche Ordnung ist heute gleichberechtigt und hat Humor.
Derweil auf einem anderen Streckenabschnitt: Letzte Woche zeigten die Verkehrsunfall-Zahlen 2016 einen erneuten Minusrekord. Seit 2006 sank die Anzahl gestorbener und schwer verletzter Menschen in Autos auf die Hälfte, diejenige auf Motorrädern um ein Drittel.
Die Zeit zwischen Fasnacht und Ostern heisst traditionell Fastenzeit, sie könnte aber auch Freiheitszeit heissen. Denn es geht in diesen Wochen darum, Gewohnheiten aufzubrechen und anderes zu probieren. Der Blick geht dabei immer darauf, “was wirklich zählt”.
Da treffen sich zum Beispiel in Therwil dreimal wöchentlich Jogger zu einem modernen “mens sana in corpore sano” bei der katholischen Kirche: Zum Start erhalten sie einen Gedanken auf die gemeinsame Laufstrecke mit, am Schluss tauscht man sich kurz darüber aus.
In Basel begannen die katholischen Kirchen die Fastenzeit mit dem traditionellen „Aeschestraich“ und stellten dabei wiederum eine Fasnachtslaterne ins Zentrum, um die Energie dieser Basler Herzstück-Kultur für die Fastenzeit fruchtbar zu machen.
Im Waldenburgertal trifft man sich wöchentlich frühmorgens zu einer Stunde gemeinsamen Schweigens. Ja, nichts als Schweigen. Um die Kraft der Stille aufzunehmen, und um auszuprobieren, wie sich die Tage dadurch verändern.
Überhaupt: Von Schönenbuch bis Ammel, vom Gellert bis zum Neubad nützen Menschen diese Tage, um Dinge anders zu machen. Sie nehmen sich eine Facebook-Auszeit, sie verkaufen Rosen zugunsten wohltätiger Projekte, sie leben frei von Schokolade, Alkohol oder Gamen.
Am Ende mündet die Fastenzeit ins Osterfest, einem Brennpunkt unserer abendländischen, jüdisch-christlichen Kultur. Ostern erzählt bei den Juden wie bei den Christen eine elementare Geschichte für ihr Selbstverständnis, beide sind ein epischer Showdown: Die gemeinsame Massenflucht der geknechteten Juden aus Ägypten ebenso wie die Ermordung/Auferstehung Christi.
Bei beiden Dramen verdichtet sich die Grundüberzeugung: Der Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit lohnt sich: Immer wieder und ganz am Ende, auch nach Mühsal und Leiden, ist das Leben stärker als der Tod.
Sei es auf Zürichs Strassen oder in der Kapelle, sei es am Computer oder auf der Jogging-Strecke, am Küchentisch oder vor dem Konsi: In der Fastenzeit geht es darum, sich frei zu machen für den Highway to Heaven. Viel Vergnügen mit Ihrer Freiheit!
Die beschti Waffe gege d Macht!
In den sozialen Medien ist gerade wieder die Masseneinwanderung der fasnächtlichen Profilbilder in Gang – die Fasnacht hat Basel bereits im Griff. Die Vorfasnacht ist ein boomender Markt, die Kinderfasnacht wächst wie ein Weggliteig im warmen Ofen, und keine Kirche der Region platzt so aus den Nähten wie die Elisabethenkirche beim Fasnachtsgottesdienst – OMG!
In diesen Tages des #2017make1933great-again begegnet man jedoch auch der Frage: bissiger Fasnachts-Witz, politische Sujets, böse Schnitzelbänke, macht das überhaupt noch Sinn? Das Pfyfferli im Fauteuil-Theater zum Beispiel scheint zu empfehlen, die Fasnacht einfach als grosslustige Sause zu feiern, als Alltagsflucht wie in Luzern, quasi als vorgezogene Streetparade. Damit wäre die Fasnacht wieder nahe bei den heidnischen Wurzeln des reinen Frühlingsfestes. Oder anders gesagt: «Ein bissiges Sujet ist Basler Tradition? Viel zu anstrengend. Frau, no-n-e Wysse, und nit uf my glitzerigs Goschdym tropfe!»
Der bissige Fasnachts-Witz, dieser inhaltliche «Unique Selling Point» der Basler Fasnacht, er stammt ursprünglich aus der Carnevale-Tradition der Kirche (OMG zum zweiten). Kurz vor der Fastenzeit wurde die politische Welt auf den Kopf gestellt, die «Kleinen» sollten die «Grossen» ungestraft verhöhnen. Der selbst ernannte «moderne» Fasnächtler (und – äxgyysi – die «aufgeklärte» Fasnächtlerin!) scheint heute eher zu resignieren: Was bringts, Trump lässt sich von einem Schnitzelbank nicht stoppen, ein ISIS-Kämpfer kommt dank einem Ladärnevärs kaum zur Raison.
Die ökonomischste aller Fragen ist hier aber: «Was bringts MIR?» – Die Fasnacht hat nämlich nicht Trump zum Ziel, sondern uns. Wenn wir in beissenden Fasnachts-Spott packen, was uns unter den Nägeln brennt, dann verändert das uns selber: Wir überlegen uns, was wir eigentlich sagen wollen, wie wir es in Reime «brünzeln», auf Laternen malen und in Larven umsetzen. Was uns das Jahr über bedroht, das verliert damit sofort ein wenig an Macht, wenn wir uns in Bildern und Versen darüber lustig machen. Je bissiger, je grotesker, je witziger, desto besser. Fasnachts-Lachen gibt uns Distanz und damit innere Freiheit zurück.
Wenn dann die Laternen abgespannt, die Larven versorgt und die Schnitzelbänke verklungen sind (wenn also die Fastenzeit begonnen hat: OMG zum Dritten!), wirkt diese zurückgewonnene innere Freiheit auf andere Art im Alltag weiter. Der Fasnachts-Humor im «Hinterstübli» ist dann gerade bei emotionalen Themen ein Schlüssel für eine offene Diskussionskultur und für eine sachorientierte Lösung. Die Basler Fasnacht ist deshalb ein Taktgeber dafür, dass Basel anders tickt als die Restschweiz.
Die wahren Totengräber der Fasnacht sind also nicht renitente Politiker in der Ferne, sondern Lärmklagen und Sujetzensur an der Fasnacht selbst. Das ist das, was der legendäre Otti Rehorek meinte, als er 1991 in der ebenso legendären Drummeli-Nummer als Fasnachtsnarr sagte: «Die beschti Waffe gege d Macht, isch wenn me offe drüber lacht.»