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Unerwartetes in “Freudenstadt”

Sonntag, 14.7. Reisetag. Mit müden Knochen in den Moloch Bukarest eintauchen – und die Ankunft ist geprägt von Seiten, die ich in Bukarest (was wörtlich „Freudenstadt“ heisst) nicht erwartet und der Stadt auch nicht zugetraut hätte. Schön!

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Aussicht über den “Piata Universitarii”

Angenehme 29 Grad erwarten uns am Flughafen, und zum ersten mal weiss ein Taxi-Fahrer sofort, wo die Strasse unseres Hotels liegt.
Auf halbem Weg ist der Taxi-Fahrer froh, weil er keinen Umweg fahren muss. Denn 400 Meter der Hauptverkehrsachse sind im Juli und August jeweils von Freitagabend bis Sonntagnachmittag total gesperrt für – man halte sich fest – Street Games.

Sicht in den Hinterhof
Sicht in den Hinterhof

JAWOHL, FÜR FREIES SPIELEN AUF DER STRASSE! „Stop Trafic – Start Joci!“ steht auf rund einem Dutzend grosser Transparente über der Strasse. Und wie gesagt, das ist keine Seitenstrasse in einem Quartier, das ist die Hauptverkehrsachse Bukarests!

Spuren alter Schönheit
Spuren alter Schönheit

Spuren vom und zum “kleinen Paris”

Nach einer erholsamen Siesta dann rein in die Fussgängerzone. Hier hat Bukarest einfach weitergemacht, wo es aufgehört hat. Noch mehr Beizli, mehr Bars, alles sehr gemütlich, alles sehr voll (Sonntagabend!), vorherrschend ist gemütlicher englischer Pub-Stil, alles sehr Open-air. Und vor allem: alles sehr gepflegt, die Stimmung gemütlich und aufgeräumt. Welten vom Bukarest von vor zehn Jahren, Welten vom ländlichen Rumänien im Nordosten.
Wiederum fallen mir die vielen Reste der einst wunderschönen Häuserfassaden auf, welche mit dazu führten, dass Bukarest Anfangs 20. Jahrhundert „das kleine Paris“ genannt wurde.
Man muss nach oben und manchmal genauer hinschauen, um die Zeugen der alten Schönheit zu sehen. Hinter dem Schmutz, dem Zerfall, der Kriegsgewalt haben viele der Ornamente, Figuren etc. ihre Aura verloren. Behalten haben sie ein enormes Potenzial, falls jemand es dann fördern kann.
Doch wenn die Entwicklung so weiter geht, wer weiss, vielleicht liegt die Vergangenheit Bukarests auch wieder in der Zukunft?

Klassiker(1): Kabelgewirr
Klassiker(1): Kabelgewirr

“Wie immer” und “wie noch nie”

Den Zahn der Zeit überstanden haben jedenfalls schon mal die unsäglich feinen Desserts und (zumindest in unserem Restaurant) sowie die desinteressierte Bedienung.
Sehr gespannt bin ich darauf, wie das in den Läden und den Shopping-Centers sein wird.

Klassiker(2): Halsbrecherischer Gerüstbau
Klassiker(2): Halsbrecherischer Gerüstbau

Auf dem Weg zurück zum Hotel bekannte und unbekannte Miniaturen: Die alte schöne kleine orthodoxe Kirche war schon im November 2011 eingerüstet. Und die Gerüst-„Konstruktion“ aus Holz erscheint immer noch halsbrecherisch. Das unerwartete daran ist, dass sie nicht eingekracht ist…

Klassiker (3): Clatite zum Dessert
Klassiker (3): Clatite zum Dessert

Erwartet auch die unvermeidlichen Elektro-Kabel-Gewirrnisse an den Pfosten. Es ist mir schlicht ein Rätsel, was die Elektriker daran hindert, die Kabel passend abzuschneiden…

An den Wänden zwei Tags, die ich in Bukarest ebenfalls nicht gewohnt bin: Ein kleines Ornament-Herz, zärtlich in eine „Unterschrift“ eingebaut, und ein ebenso zärtliches „o sa fie totul bine“ („alles kommt gut“) auf der Betonwand eines Wohnhauses.

Konzert an der Verkehrsachse
Konzert an der Verkehrsachse

Oasen an der Verkehrsachse

Zurück im Hotel machen wir noch eine Runde um den Häuserblock und treffen auf zwei Kleinode: gegenüber auf der anderen Seite des „Plata Universitarii“ findet ein kleines Klassik-Konzert statt, vom Quartier wurde eine Reihe „Sommer-Konzerte“ organisiert, open-air, gratis, hinter der Bühne spielen Kinder auf dem Rasen, hinter den zahlreichen Zuschauer findet der Sonntagabendverkehr statt.

Vorne spielende Kinder, in der Mitte klassische Musik, hinten Sonntagabendverkehr
Vorne spielende Kinder, in der Mitte klassische Musik, hinten Sonntagabendverkehr

Hier so eine kleine Oase, die Menschen geniessen die Klänge, als gäbe es keinen Verkehrslärm, sie scheinen es zu geniessen, mitten in dem Millionen-Moloch ihren Sonntagabend so verbringen zu können, es hat mindestens doppelt so viele Zuhörer, die zu den vorbereitenen Publikumsstühlen noch rundherum stehen.
Klein aber fein.

Auf der Suche nach einer Wasserflasche (alle uns bekannten „Lädeli“ in Hotelnähe sind mittlerweile Beizli geworden) unterqueren wir den Universitätsplatz nochmals, und landen auf der anderen Seite nochmals in einer sonntagabendlichen open-air-gratis-Veranstaltung.

Bisher resierviert für Verseni...
Bisher resierviert für Verseni…

Der Platz vor der Nationalbank war vor einem Jahr noch ein einziges riesiges Bauloch, nun ist über der Tiefgarage wieder der Platz hergestellt, und darauf sind dutzende Sitz- und Liegemöglichkeiten aufgestellt (alle in Form von Schafen und kleinen Grasstücken) – „Die Wiese in die Städte“ heisst der Anlass, jedes Wochenende finden Gratis-Konzerte oder wie heute ein Zauberer-Auftritt und eine Serie Kurzfilme statt. Auch hier lassen viele Menschen ihren Sonntag friedlich ausklingen, auch hier blendet man irgendwie innert Sekunden den Verkehr der Durchmesserstrasse aus.

...aber kann mensch an Freudenstadt vielleicht doch auch sein Herz verlieren?
…aber kann mensch an Freudenstadt vielleicht doch auch sein Herz verlieren?

Freude über das eigene Vorurteil

Ich bin völlig eingenommen von diesen zwei kleinen Szenerien. Vor ein paar Jahren hätte ich so etwas n Bukarest nie für möglich gehalten.

Es freut mich, wie meine Vorurteile sich als ebendiese herausstellen, es freut mich, dass ich das erleben darf, es freut mich, diese feinen Veränderungen alle noch zu sehen. Das macht mich zuversichtlich für die Zukunft dieser Stadt und dieses Landes. Nicht heute, nicht morgen, aber langsam, so wie Neues eben wächst.

Was für ein schöner Beginn in meine „Verseni-Abschiedstour“.

"Alles wird gut" - unerwartetes Graffiti in Bukarest
“Alles wird gut” – unerwartetes Graffiti in Bukarest

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