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Wir sind Fasnacht 2013 (Teil 2): Paparätschi – wer erhält hier Schimpfis?

Im zweiten Teil des Fasnachts-Kirchen-Rückblicks schauen wir auf die eine grosse Umsetzung eines Kirchen-Themas: die Vatileaks-Affäre hat die Sans-Gêne-Clique zum vieldeutigen Sujet “Paparätschi” inspiriert. Was steckt da dahinter?

Die Sans-Gêne-Laterne vorne.
Die Sans-Gêne-Laterne vorne.

Das Wort-Spiel im Sujet-Titel hat bereits mehrere interessante Ebenen, die sich vermischen: Da ist die sensationslüsterne Öffentlichkeit (Paparazzi), die dem Papst gegenüber steht, und sein “Kosename” (Papa). UND das wird mit einem Kinderwort kombiniert (ein “Rätschi” ist eine “Petze”), mit dem Eltern ihre Kinder massregeln; damit stellt sich der Titel grundsätzlich auf die Seite des Papstes, was doch überrascht.

Grimmiges Schwarz-Weiss

Die Pfeifer und Tambouren hingegen, als grimmige Kardinäle comic-mässig karikiert, zeichnen (sogar wörtlich) das übliche schwarz-weiss-Bild, das den Vatikan mit üblen Machenschaften verbindet.

Die Sans-Gêne-Laterne hinten.
Die Sans-Gêne-Laterne hinten.

Die Mehrbödigkeit erscheint bei den Prunkstücken des Zuges, bei der Laterne und beim Tambourmajor. Der Major stellt den Papst als überdimensionalen tropfenden Hahnen dar. Der steht einerseits für das Vatileak-Leck, “nicht ganz dicht” enthält aber auch die mögliche Assoziation auf das Alter und die Haltung des Papstes.

Die verschiedenen Ebenen werden nicht ausgedeutet. So bleibt der Tambourmajor als Ganzes schillernd, mächtig und bedeutungsvoll, ohne zu verletzen.

Sans-Gêne-Pfeifer: "die Krähen" (Foto: fasnacht.ch)
Sans-Gêne-Pfeifer: “die Krähen” (Foto: fasnacht.ch)

S/W contra schillernde Symbole

Ähnlich verhält sich die Laterne: Die Vorderseite zeigt ein schwarz-weisses Papst-Portrait im Stempel-Stil (mit aktuellem “Überschrifts”-Schild), das zuerst keine Aussage zu machen scheint. Erst unten links stösst man auf einen farbigen Ecken, in dem ein teuflischer Kardinal als Marionetten-Puppe vom Papst geführt wird – und erst auf den zweiten Blick sieht man, dass dieser Kardinal eine Frau an der Hand nimmt. Vom kleinen Ecken aus wird also die gesamte Situation als verlogen und unmoralisch kennzeichnet.

Die Rückseite spielt mit den Bedeutungsebenen wie die Figur des Majors: der Papst hält eine zerborstene Kloschüssel in die Höhe. Sie steht für das Info-Leck von übelriechenden Informationen. Aber “e Sprung in dr Schüssle”, das heisst eben auch “einen Ecken ab” haben, “ver-rückt” sein und deutet darauf hin, wie der Künstler die gesamte Situation im Vatikan beurteilt.

Sans-Gêne-Major und Tambouren (foto: fasnacht.ch)
Sans-Gêne-Major und Tambouren (foto: fasnacht.ch)

Wie beim Major ist auch dieser Symbol-Gegenständ aus dem “Klo-Bereich”, trägt Respektlosigkeit in sich, aber durch die Vieldeutigkeit bleibt auch die Laternenrückseite schillernd, und man kann ihr nicht direkt vorwerfen, den Papst verletzen zu wollen.

Eine Minute für die Message

Als ganzes verbreitet der Zug grimmig-kalte Atmsphäre – so wird die Energie, die vom Vatikan ausgeht, von den Sans-Gêne offenbar wahr genommen. Und in dieser Grundstimmung hat der tropfende (Informations-)Hahnen das einzig Lebendige an sich, das einen lachen lässt.

Und so muss man konstatieren: Die Vieldeutigkeit geht im vatikanischen Grimm beinahe unter; Sympathie-Träger mitten in dieser unsympathischen Welt ist überraschenderweise der “tropfende Papst-Major” – dessen unsympatische Seite auf der Laterne wird im Spiel quasi “aufgelöst” und von Mitleid abgelöst.

Als Ganzes bleibt die Vielschichtigkeit der Gefühle gegenüber dem Papst erhalten und der Papst bleibt zwischen Opfer- und Täterschaft schillernd und zwiespältig.
Immer ist zu bedenken: eine Clique hat etwa eine Minute Zeit, während der das Publikum die verschiedenen Bilder “lesen” kann (vom ersten Vorträbler über die Laterne bis zum letzten Trommler) – Vor diesem Hintergrund sind es immer die grossen Bilder und nicht die feinen Details, welche die “Message” vermitteln.

Im nächsten Teil werfen wir einen Blick auf die Kirchen-Umnutzung und auf die Verwurzelung von religiösen Bildern und Fasnachts-Humor.


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